Berlin wählt Kaczyński ab

In Berlin lebende Polen strömen an die Wahlurne. Die bisherige Regierung hat hier wenig Sympathien

Es ist Wahltag in Polen und ebenso in Berlin. Von 6 bis 20 Uhr konnten am Sonntag auch die in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern lebenden Polen ihre Stimme in der Botschaft in Grunewald abgeben. „Fast 4.000 polnische Staatsbürger haben sich an der hier vorangemeldet, um an der Wahl teilzunehmen“, sagt der polnische Gesandte Bogusław Dubiński, „dreimal so viele wie 2005.“

Das bestätigt auch die Schlange vor dem Botschaftsgebäude. Bis auf die Straße stehen die Menschen, um drinnen ihr Kreuz machen zu können. Besonders auffallend sind die vielen jungen Menschen. „Die Stimmung in Polen hat auch mich mobilisiert“, erklärt ein 21-Jähriger, der in Berlin seit zwei Jahren Betriebswirtschaft studiert. „Ich habe mit vielen in Polen lebenden Freunden gesprochen. Wir waren uns alle einig, dass sich im Land etwas ändern muss“, sagt der Student, nachdem er seine Stimme der Bürgerplattform von Donald Tusk gegeben hat.

Für Magda Pyzior ist Wählen Bürgerpflicht. Doch diesmal sei es besonders wichtig. „Polen muss wieder zur Demokratie zurückfinden“, erklärt die Studentin der Viadrina in Frankfurt (Oder). Auch sie hat die Bürgerplattform gewählt, genauso wie die seit elf Jahren in Berlin lebende Agnieszka Adamiak. „Die Kaczyńskis schadeten unserem Ansehen im Ausland und belasteten die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen“, sagt Adamiak. Wähler von Jarosław Kaczyński scheint man in Grunewald nicht zu finden. „Meine in Polen lebende Mutter wählt schon die PiS. Das reicht“, sagt Adamiak.

Doch nicht nur in Grunewald wird gewählt. Unter dem Motto „Wähle die Regierung deiner Nachbarn“ konnten im Club der Polnischen Versager auch Deutsche ihre Stimmen abgeben. „Die Idee wurde schon vor zwei Jahren geboren, als die Kaczyńskis gewählt wurden und uns deutsche Freunde gefragt haben, wie dies passieren konnte“, erzählen Joanna Bednarska und Adama Gosowski. Ihre Aktion sei zwar Satire, doch sie habe einen demokratischen und europäischen Charakter.

Hans-Peter Thuru ist von dieser Idee begeistert. Spontan entschied er sich, an der Wahl teilzunehmen, nachdem er auf der Ackerstraße in Mitte den Aushang gesehen hat. „Dies ist eine tolle Idee. Und da die deutsch-polnischen Beziehungen momentan nicht besonders gut sind, hat diese Aktion auch einen hohen symbolischen Wert“, erklärt er begeistert.

Claus Eschemann hat unter der Aufsicht eines italienischen Wahlbeobachters abgestimmt. Für wen, das will er nicht verraten. „Doch so viel kann ich sagen: für Jarosław Kaczyński und seine PiS konnte ich mich nicht entscheiden.“ Und da geht es ihm so wie den meisten in Deutschland lebenden Polen. THOMAS DUDEK