Der Linke

Li Keqiang forderte während der Studentenproteste 1989 freie Wahlen – jetzt soll er Premier werden

PEKING taz ■ Li Keqiang ist der Führungskandidat der „linken“ Fraktion um KP-Generalsekretär Hu Jintao. Er soll beim Nationalen Volkskongress im Jahr 2013 das Amt des Regierungschefs vom jetzigen Premierminister Wen Jiabao übernehmen.

Li – große Brille, breites Kinn, scheuer Blick – fällt dadurch auf, dass er nicht auffallen will. Während der Parteitagsdiskussionen in der letzten Woche richtete er den Blick auf seine Akten vor sich und schaute kaum auf.

Trotzdem ist der 52-Jährige der Hoffnungsträger für politische Reformen in China. Sogar Exildissidenten wie Wang Juntao, der wegen seiner Rolle bei den Studentenprotesten 1989 für Jahre ins Gefängnis kam und heute in den USA lebt, bezeichnen Li bis heute als „intelligent, nachdenklich und offen“. Sie kannten sich früher gut. Li studierte Anfang der 80er-Jahre Jura und Wirtschaftswissenschaften an der Peking-Universität. Nach dem Abschluss blieb er als KP-Jugendverbandssekretär an seiner Uni – genau in den Jahren, in denen sie die Keimzelle des demokratischen Studentenprotests war, der 1989 in die offene Revolte führte. Li plädierte damals für demokratische Wahlen auf lokaler Ebene. Seine liberalen Ansichten verhinderten, dass er als Delegierter am Kongress des KP-Jugendverbandes teilnehmen konnte. Doch der damalige Chef dieses Verbands, ein gewisser Hu Jintao, nahm ihn trotzdem mit auf seinem Weg nach oben.

Hu machte Li 1993 zum Chef des Jugendverbands, schickte ihn 1998 als Parteichef in Chinas bevölkerungsreichste Bauernprovinz Henan und 2004 weiter als Parteichef in die dahinsiechende Industrieprovinz Liaoning. Li arbeitete in Henan den größten Aidsskandals Chinas auf – andere heiße Eisen wie Umweltskandale rührte er nicht an. In Liaoning entwickelte Li ein in China viel beachtetes Sozialwohnungsbauprojekt und hielt die korruptionsbelastete Provinz in den letzten Jahren skandalfrei. Jetzt kehrt er nach Peking an die Seite Hus zurück. GBL