Nur aufgeschoben

AUS BERLIN HANNA GERSMANN

Pendler und andere Bahn-Kunden müssen am Montag nicht umplanen. Denn die Lokführer werden nicht streiken. Am Sonntagnachmittag sagte die Lokführergewerkschaft GDL die in Aussicht gestellte Arbeitsniederlegung ab. Doch da der Tarifkonflikt mit der Bahn noch immer ungelöst ist, ist das Thema Streik nicht erledigt. Die möglichen Streiktage in dieser Woche heißen nun Dienstag und Mittwoch. An diesen Tagen seien Arbeitsniederlegungen „möglich“, sagte eine Sprecherin der GDL. Jeweils um 16 Uhr des Vortages will die Gewerkschaft über den nächsten Streik informieren. Die Bahn forderte die GDL erneut zu Verhandlungen auf.

Am Donnerstag hatte die Gewerkschaft den Nahverkehr zum letzten Mal bestreikt; es war das dritte Mal in zwei Wochen. Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge sind von einem Streiktag rund eine Million Bürger betroffen, die im Schnitt bis zu 50 Euro an „zusätzlichen Beförderungskosten“ aufbringen müssen. Einige Kunden haben Strafanzeige gegen die Bahn gestellt.

Was die GDL dazu bewogen hat, eine Pause einzulegen, blieb am Sonntag unklar. Die Bahn hatte am Wochenende betont, sie werde keine Zugeständnisse machen. Personalvorstand Margret Suckale sagte: „Wir haben nicht vor, so weiterzumachen bis zum 35. Angebot und immer wieder ein bisschen auf die GDL zuzugehen.“ An dem Arbeitskampf beteiligten sich nicht einmal 3 Prozent der Belegschaft. Es könne nicht sein, dass eine Gewerkschaft, die sich „ins Abseits begibt“, durch „Maximalforderungen“, ein Land lahmlegt.

Die GDL fordert Lohnerhöhungen bis zu 31 Prozent, höhere Einstiegsgehälter von mindestens 2.500 Euro und vor allem einen eigenständigen Tarifvertrag. Dieser soll garantieren, dass die Lokführer künftig alleine Arbeitszeiten und Löhne verhandeln können – ohne die Konkurrenzgewerkschaften Transnet und GDBA.

Bahn-Vorstand Suckale hat vor einer Woche das letzte und fünfte Angebot denn auch so angepriesen: „Wir bieten einen Tarifvertrag für Lokführer an.“ Dann machte sie allerdings die entscheidende Einschränkung: Dieser Vertrag müsse sich „konflikt- und widerspruchsfrei“ in das Gesamttarifwerk des Unternehmens einfügen.

„Unzureichend“, urteilte die GDL. Das Angebot entspreche auch nicht der Abmachung, die Bahn und Gewerkschaften im Gespräch mit Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler getroffen hätten. Die beiden CDU-Politiker hatten im August versucht, in dem Streit zu vermitteln. Das Ergebnis lautete damals: Der Arbeitgeber erklärt sich zu Tarifverhandlungen bereit – auch „mit der GDL mit dem Ziel, bis 30. September 2007 einen eigenständigen Tarifvertrag abzuschließen, der Entgelt und Arbeitszeitregelungen für Lokomotivführer umfasst“.

Der Stichtag ist vorbei. Zwei Drittel der Bundesbürger halten die Arbeitsniederlegungen für gerechtfertigt, besagt eine Umfrage von infratest dimap für die ARD. Und jeder Zweite hält die Deutsche Bahn und ihre Vorstände dafür verantwortlich, wenn es erneut zu Streiks kommt. Nur jeder Vierte gibt der GDL die Schuld.

Obwohl die Gewerkschaft am Montag nicht streikt, will sie künftig härter vorgehen: Der stellvertretende GDL-Vorsitzende, Claus Weselsky, plant Streiks im Güter- und Fernverkehr, wie er am Wochenende wissen ließ. Er sagt: „Es muss eine Zeit geben, in der wir den Druck deutlich erhöhen.“ Das sei mit Streiks allein im Nahverkehr nicht zu schaffen. Denn dort hätten die Bahnkunden überwiegend Jahres- und Monatskarten, die Rechnungen seien bezahlt. „Für die Bahn hält sich der Schaden in Grenzen“, sagt Weselsky.

Für diesen großen Ausstand muss zunächst jedoch noch die einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichtes Chemnitz aufgehoben werden, die die Bahn erwirkt hatte. Diese untersagte Streiks im Fern- und Güterverkehr. Dagegen hat die GDL Berufung eingelegt. Die Gewerkschafter erwarten, dass in dieser Woche verhandelt wird.

Pro Streiktag zahlt die GDL einem Lokführer 45 Euro. Dabei hilft der Dachverband, der Deutsche Beamtenbund dbb. Die Kosten des Ausstands seien gedeckt, sagt Funktionär Weselsky und macht noch einmal Druck: „Wir sind in der Lage, einen sehr langen und intensiven Arbeitskampf zu führen.“