Keine Ländermehrheit für ein NPD-Verbot

Auf dem kommenden Bundesparteitag will die SPD für ein neues NPD-Verbotsverfahren stimmen. Doch nur eine Minderheit der Länder stützt dieses Vorhaben. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ingo Wolf (FDP): Das Ansinnen ist politisch gefährlich

VON DANIEL SCHULZ

Hamburg soll der Anfang vom Ende der NPD sein. Beim SPD-Bundesparteitag wird der Vorstand der Sozialdemokraten am kommenden Wochenende einen Antrag für ein neues Verbotsverfahren einbringen. Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag werden darin aufgefordert, „einen Fahrplan für ein Verbot“ der rechtsextremen Partei zu erarbeiten. Die Zustimmung der Delegierten gilt als sicher. Doch eine Umfrage der taz in Innenministerien und Staatskanzleien zeigt: In den Ländern hat das Vorhaben keine Mehrheit.

Insbesondere die großen und deshalb mit vielen Stimmen im Bundesrat ausgestatteten Länder würden bei einem neuerlichen Verbotsantrag nicht mitziehen. Die Antiverbotsfraktion könnte derzeit 30 der insgesamt 69 Stimmen in der Länderkammer auf sich vereinigen. Zu den Nein-Sagern gehören Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. „Ein neues Verbotsverfahren wäre politisch gefährlich und juristisch riskant“, sagt NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) der taz. Offensichtlich habe der SPD-Vorsitzende Kurt Beck nichts aus dem Fehlschlag vor dem Bundesverfassungsgericht 2003 gelernt.

Anfang des Jahres 2001 hatten die rot-grüne Bundesregierung, das Parlament und der Bundesrat in Karlsruhe ein Verbot der NPD beantragt. Dieses Verfahren scheiterte, denn die Verfassungsrichter zweifelten an der Zuverlässigkeit des Beweismaterials. Der Grund: In der NPD-Spitze waren V-Leute eingesetzt. Dass die NPD verfassungsfeindlich ist, sehen Experten aller Parteien als erwiesen an. Für ein Verbot ist allerdings entscheidend, ob der rechtsextremen Truppe nachgewiesen werden kann, dass sie den Staat in aggressiv-kämpferischer Weise bekämpft.

Für einen neuen Verbotsantrag müssten die V-Leute zumindest teilweise aus der NPD entfernt werden, doch dagegen sperren sich CDU, FDP und die meisten unionsgeführten Länder. Die Befürworter eines Verfahrens in der SPD halten den Rückzug staatlicher Zuträger dagegen für vertretbar. Am lautesten vertritt diese Meinung Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD). „Man kann die aggressiv-kämpferische Haltung der NPD anhand ihrer öffentlichen Äußerungen in den Medien oder bei Reden belegen“, sagte Körting der taz. „V-Leute braucht man dafür nicht unbedingt.“

Mit einer zwölfseitigen Zitatsammlung will der Senator seiner Position Nachdruck verleihen. Auf dieser Liste stehen bisher recht wahllos Aufklebersprüche neben Auszügen aus Reden von Parteigrößen. Die meisten seiner Kollegen konnte Körting damit nicht überzeugen. Eine Proverbotskoalition im Bundesrat hätte nur 14 Stimmen. Dabei wären neben dem von SPD-Chef Beck regierten Rheinland-Pfalz auch Berlin, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Der Landtag in Schwerin hat am Donnerstag entschieden, dass sich die Regierung zusammen mit den anderen Ländern um ein NPD-Verbot bemühen soll.

Diese Entscheidung im ansonsten eher unbedeutenden Ostsee-Staat hat für die Verbotsbefürworter große Symbolkraft. Schließlich regiert in Schwerin eine große Koalition und den Sozialdemokraten dort ist es gelungen, die CDU auf ihre Seite zu ziehen. In der SPD gibt es nun die Hoffnung, dies könne auch in anderen Ländern klappen. Denn viele Landesregierungen haben sich noch nicht entschieden.

Zu diesen Ländern, die im Bundesrat insgesamt 25 Stimmen zusammenbekämen, gehören vor allem Länder mit großen Koalitionen: Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, aber auch Bayern und Hamburg. Sachsen-Anhalt ist geradezu ein Musterbeispiel für die Konfrontation beim Thema NPD-Verbot. Innenminister Holger Hövelmann von der SPD wirbt schon lange für ein neues Verfahren. Die NPD habe ihre Basis durch die Integration neonazistischer Kameradschaften gestärkt und einen noch verfassungsfeindlicheren Charakter als zur Zeit des ersten Verfahrens angenommen, glaubt der Minister. Er ist deshalb davon überzeugt, „dass Bundestag und Bundesrat vor diesem Hintergrund ernsthaft die Wiederanstrengung eines Verbotsverfahrens mit allen rechtsstaatlich zur Verfügung stehenden Mitteln prüfen sollten“. Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) teilt die Begeisterung Hövelmanns jedoch nicht: Sein Land werde sich nur bei Aussicht auf Erfolg für ein neues Verfahren einsetzen, heißt es aus der Staatskanzlei.

Die Proverbotsentscheidung des Parlamentes von Mecklenburg-Vorpommern wird sogar noch kühler kommentiert: „Mit Landtagsbeschlüssen, so gut gemeint sie sein mögen, ist es nicht getan.“