„Leben wird hektischer“

MODERNE Gegen die beängstigende Beschleunigung des Lebens helfen keine Meditations-Kurse

■ 46, Soziologe an der Universität Jena, Autor des Buches „Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne“.

taz: Herr Rosa, Sie diagnostizieren für die Moderne Beschleunigung – was meinen Sie damit?

Hartmut Rosa: Es ist ein Gemeinplatz in unserer Selbstwahrnehmung, dass alles immer schneller wird.

Das ist sehr subjektiv.

Aber nicht nur. Transport-, Produktions- und Kommunikationsprozesse werden schneller, das führt aber nicht dazu, dass wir mehr Zeit gewinnen. Im Gegenteil, wir empfinden unser Leben als hektischer.

Aber das ist gewollt: Über die Elektronik kommunizieren wir parallel mit sehr viel mehr Menschen als das per Treffen oder Brief möglich wäre.

Natürlich, auch das Lebenstempo beschleunigt sich. Die Zahl der Handlungsepisoden pro Zeiteinheit steigt.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier ...

... und wo immer drei zusammenstehen, wird geklagt. Aber diese Wahrnehmung der Zeitstruktur gab es nicht immer, sie taucht verstärkt seit dem 18. Jahrhundert auf.

Sind wir nicht selber schuld?

Oft wird gesagt, wir sollten einfach weniger gierig sein und weniger Sorge haben, etwas zu verpassen. Es geht aber um ein strukturelles Moment der Modernisierung. Moderne Gesellschaften können sich nur dynamisch stabilisieren, haben also einen immanenten Zwang, zu wachsen, zu beschleunigen. Aber man kann die Zeit nicht steigern, die kann man nur verdichten.

Was dagegen tun?

Wir haben in Jena ein DFG-Projekt bewilligt bekommen, in dem wir dieser Frage nachgehen dürfen. Man bräuchte eine Alternative zur Verfassung der modernen Gesellschaft. Interview: kawe

19.30 Uhr, Haus der Wissenschaft