Debatte ums Unilever-Hochhaus

Die Architektenschaft streitet über den Ergänzungsbau neben der Musikhalle. Für die einen repariert er einen Fehler der 60er Jahre, für die anderen verschlimmert er eine alte Bausünde durch eine neue

VON GERNOT KNÖDLER

Der geplante Ergänzungsbau zum dreiflügeligen Unilever-Hochaus neben der Musikhalle erhitzt die Gemüter. Im Deutschen Architektenblatt ist eine Debatte darüber entbrannt, ob der Neubau einen städtebaulichen Fehler aus den 60er Jahren ausbügelt oder ob er eine Sünde eigener Art darstellt.

Wie berichtet, plant die Firma Union Investment Real Estate zwischen Valentinskamp und Deichtorwall einen fünf bis zehn Stockwerke hohen Glasbau in Form einer Triangel. Er verstellt den Blick von der Musikhalle auf das Unilever-Haus. Das Gebäude hätte einen Innenhof, der sich mit mehreren großzügigen Durchgängen zur Umgebung öffnet. Neben Büros würde er die Innenstadt um 45 Wohnungen bereichern. Der Entwurf ist das Ergebnis eines Wettbewerbs, den das Büro Markovic Ronai Lütjen Voss (MRLV) gewann.

Auslöser der Debatte war ein Artikel des Architekturkritikers Olaf Bartels im Regionalteil der August-Ausgabe. Er monierte, hier werde eine „unverträglich große Baumasse in das Stadtgefüge implantiert“. Die Wirkung des denkmalgeschützten Hochhauses werde beeinträchtigt, der benachbarte Rest des Gängeviertels bedrängt. Die grüne Stadt weiche einer steinernen Variante. Ihm erscheine es so, „als wolle man bewusst alle Planungsansätze aus den 60er Jahren tilgen“, schrieb Bartels.

Alle sind sich einig, dass das Unilever-Hochhaus selbst eine architektonische Perle ist. Strittig ist seine städtebauliche Einbettung. Die Architekten der Nachkriegsmoderne wollten aufräumen mit den engen und ungesunden Höfen und Gassen. Stattdessen sollten offene Zeilen und Solitäre auf großzügigen Grünflächen gebaut werden, von Licht und Luft durchflutet. Arbeiten, Wohnen und Amüsement sollten voneinander getrennt werden. Mit der Lärmbelastung durch den Autoverkehr und der Sterilität, die dieses Modell hervorbringen würde, hatte keiner gerechnet.

„Was wir heute als denkmalschutzwürdig betrachten, muss, bezogen auf den Standort und den Stadtgrundriss als ‚Bausünde‘ bezeichnet werden“, schreibt der Stadtplaner Andreas Pfadt im September-Heft. Für das Unileverhaus wurde ein Teil des dicht bebauten Gängeviertels abgerissen. Entstanden sei ein „beziehungsloses städtebauliches Implantat, ein abgehängtes Stadtquartier“, kritisiert Oberbaudirektor Jörn Walter in der November-Ausgabe.

Walter postuliert einen Zielkonflikt zwischen dem Interesse, das architektonisch wertvolle Hochhaus zu erhalten und dem städtebaulichen Interesse, das Hochhausgelände wieder in die City zu integrieren. Diese Argumentation führt in die Irre, weil das Hochhaus nicht zur Disposition steht. Eher stellt sich die Frage, ob das Erdgeschoss des Neubaus mit Läden, Café, Restaurant und zugänglichem Innenhof tatsächlich so belebend auf des Quartier wirkt, dass es sich lohnt, das alte Konzept zu zerstören.

„Selbstverständlich halte ich nichts von der Vermischung der Texturen unterschiedlicher Städtebauepochen“, bekräftigt Denkmalpfleger Frank Pieter Hesse im selben Heft. Gegen den Bezirk Mitte und die Stadtentwicklungsbehörde habe sich aber eine Freihaltung des Grundstücks nicht durchsetzen lassen.

Mit dem Neubau würden die Abgrenzungen zum umliegenden Straßenraum abgebaut, hatte die Wettbewerbssiegerin Mirjana Markovic im Septemberheft argumentiert. Es werde „ein zusammenhängender öffentlicher Raum zwischen dem Brahmsplatz und der Caffamacherreihe entstehen“ und so ein Stück Stadt wiedergewonnen. Die Baumasse sei im Übrigen in einem jahrelangen Prozess der Abwägung festgelegt worden.