Von der Leyen für deutsche Sicherheitspolitik ohne Tabus

VERTEIDIGUNG Konferenz zum neuen Weißbuch: Ministerin will Sicherheitsstrategie neu ausrichten

BERLIN afp | Die Bundesregierung strebt eine Neuorientierung ihrer Sicherheitspolitik an. Damit soll unter anderem auf das russische Vorgehen in der Ukraine sowie auf die Bedrohung durch die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) reagiert werden, kündigte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in Berlin an. „Starre Handlungsmuster“ solle es in dem geplanten Weißbuch der Regierung nicht geben, „aber auch kein Tabu“.

Auf einer Konferenz in Berlin gab von der Leyen am Dienstag den Startschuss für die Entwicklung des neuen Weißbuchs. Das Dokument legt die Grundsätze der deutschen Sicherheitspolitik fest. Es soll im Sommer 2016 verabschiedet werden. Bis dahin sind ausführliche Beratungen geplant, an denen neben dem Verteidigungsressort auch andere Ministerien, externe Fachleute sowie Bürger beteiligt werden sollen. Das aktuelle Weißbuch stammt von 2006. Damals galt in der Bundeswehr noch die Wehrpflicht und Russland als „herausgehobener Partner“.

Von der Leyen verwies auf die globalen Veränderungen seither: die Umbrüche in der arabischen Welt, die neuen Dimensionen des internationalen Terrorismus wie IS sowie das Vorgehen Russlands in der Ukraine. Moskau versuche, „Geostrategie und militärische Gewalt als Form der Interessendurchsetzung zu reetablieren“, sagte die Ministerin. Darauf müsse auch Deutschland eine Antwort finden.

Von der Leyen bekräftigte ihre Haltung, dass Deutschland mehr Verantwortung bei der internationalen Krisenbewältigung übernehmen müsse, dies aber nur in enger Zusammenarbeit mit den Verbündeten. „Führen aus der Mitte“, sei das Prinzip. „Wir machen uns nicht größer, als wir sind. Wir machen uns aber auch nicht kleiner, als wir sind.“

Der Sicherheitsexperte und Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Volker Perthes, schlug eine Formulierung vor, wonach „Deutschland als verantwortliche mittlere Macht“, verstanden werden sollte, „die mit anderen zusammen die europäische und globale Ordnung wahrt und entwickelt“.

Die Linkspartei warf von der Leyen vor, sich zu sehr auf Aufrüstung und Auslandseinsätze zu konzentrieren. Man werde sich daher nicht am Weißbuch beteiligen, erklärte die Verteidigungspolitikerin Christine Buchholz. Auch die Grünen warnten vor einer Verengung auf das Militärische: Wichtig sei „vernünftige zivile Konfliktprävention“, um Krisen gar nicht erst eskalieren zu lassen, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter.

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