Während Zoe.Leela im Selbstverlag arbeitet, hat Naima Husseini einen Branchenriesen im Rücken

Popstar werden war schon einfacher. Dieser Tage, da sich das klassische Musikgeschäft in Auflösung befindet, führen viele verschiedene Wege zum Ziel. Und das auch nur vielleicht. Einen einzigen Königsweg gibt es nicht mehr, auch Zoe.Leela und Naima Husseini befinden sich auf zwei völlig unterschiedlichen Routen zum Erfolg.

„Queendom Come“, Zoe.Leelas Debütalbum erregte einiges Aufsehen, weil es mit einer Creative-Commons-Lizenz auf einem Net-label veröffentlicht und kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Der Erfolg gab der Wahlberlinerin Recht: 35.000 Mal wurde das Album innerhalb eines Monats herunter geladen. Darauf soll nun der Nachfolger „Digital Guilt“ aufbauen. Die in Ulm aufgewachsene Zoe.Leela will weiter die größtmögliche Kontrolle behalten, das Album erscheint deshalb unter dem Label „Rent A Record Company“: Die Infrastruktur wird von Motor Music gemietet, die Rechte bleiben bei der Musikerin, die CD wird aber diesmal was kosten. Die Veröffentlichung von „Digital Guilt“ wurde zwar kurzfristig auf den kommenden Februar verschoben, aber das neue Album wird wie geplant live im Lovelite vorgestellt. Zu hören gibt es einerseits piepsige Synthie-Melodien, als sei eben gestern die Neue Deutsche Welle ausgebrochen, andererseits aber auch denkbar moderne Beats, die mal gebrochen torkeln, mal gekonnt den Anforderungen des Dancefloors genügen. Souverän spielt Zoe.Leela, unterstützt von bislang eher halbbekannter Produzenten, mit allen Errungenschaften der elektronischen Klangerzeugung, rekapituliert mal TripHop, adaptiert dann modernen R&B. Darüber mimt sieden kühlen Vamp und singt möglichst abgeklärt Zeilen mit so unverblümten Anspielungen, dass man sich in die Zeiten von Led Zeppelin zurück versetzt fühlt: „I‘ve been so patient with your sausage, I‘ve been so hungry“.

Einen vollkommen anderen Weg geht Naima Husseini. Nicht nur verlieben und trennen sich die Protagonistinnen und Protagonisten auf ihrem Debütalbum so ausgiebig, dass man sich in eine „Brigitte“-Kolumne versetzt fühlt. Husseini ist auch ansonsten der Gegenentwurf zu Zoe.Leela: Die seit einigen Jahren in Berlin lebende Hamburgerin sollte von einem international operierenden Unterhaltungskonzern unter dem Namen Silvester zur Konkurrenz von Bands wie Juli oder Silbermond aufgebaut werden. Aber irgendetwas ging schief, nur eine einzige Single erschien, das fertige Album erblickte nie das Licht der Öffentlichkeit. Nun erfolgt der zweite Anlauf unter eigenem Namen, wieder unter dem Dach der großen Plattenfirma, der die erste Karriere überraschend stoppte. Die Songs sind schwerblütig, mit melancholischem Timbre singt die mittlerweile 30-Jährige Husseini von dem, was eine moderne Großstadtfrau emotional so umtreibt. Vor allem aber sind diese Songs anspruchsvoller und musikalisch vertrackter als jene, die der große Konzern nicht herausbringen wollte. Das verstehe, wer will. Aber in Zeiten, in denen das Musikgeschäft den Boden unter den Füßen verliert, ist eben nicht mehr klar, wo der Weg zum Erfolg verläuft. THOMAS WINKLER

■ Zoe.Leela: „Digital Guilt“ (RaR/Rough Trade – ab 27. 2.), live am 4.11. im Lovelite

■ Naima Husseini: „Naima Husseini“ (Universal), Record Release Party am 4. 11. im HBC