Eine endlose Suche

KRIMINALFALL In seiner Dokumentation „Blitzeis“ begleitet Michael Heuer über 13 Jahre lang eine Familie, aus der ein 15-jähriges Mädchen spurlos verschwand

Der Kriminalfilm ist letztendlich ein tröstliches Genre. Es geschieht zwar Schreckliches, aber am Ende werden die Fälle gelöst, die Leichen gefunden, die Täter gefasst. Aber in der Wirklichkeit findet nicht jede Tat solch einen Abschluss. So bleibt etwa Katrin Konert auch nach 14 Jahren verschwunden.

Am Abend des 1. Januars 2001 wurde die damals 15-Jährige zum letzten Mal gesehen. Sie war auf dem Heimweg von einem Nachbardorf zu ihrem Elternhaus in Groß Gaddau im Kreis Lüchow-Dannenberg. Es gab Blitzeis, es fuhr kein Bus und sie wird wohl versucht haben, per Anhalter nach Hause zu kommen.

Heute weiß die Polizei kaum mehr über ihr Verschwinden als damals. Und dies, obwohl im Laufe der Jahre viel versucht wurde. Es gab aufwendige Plakataktionen, eine Suche mit Aufklärungsflugzeugen der Bundeswehr, mehrere Fahndungsaufrufe in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY“ und kürzlich wurde ein sogenanntes Aging-Bild erstellt, auf dem zu sehen ist, wie Katrin heute als 29-Jährige aussehen könnte.

Für die Familie ist diese Ungewissheit eine nie endende Qual. Der Filmemacher und Produzent Michael Heuer traf sich 2002 zum ersten Mal mit Katrins Eltern und ihren drei älteren Schwestern. Über die Jahre hat Heuer die Familie Konert immer wieder besucht und nun stellt er mit der einstündigen Dokumentation „Blitzeis“ eine Langzeitbeobachtung vor, in der gezeigt wird, welche verheerende Wirkung solch ein fortwährendes Trauma auf eine Familie hat.

Die Mutter sagt zwar in die Kamera, das Warten sei ihr immer noch lieber als die Gewissheit, dass ihre Tochter tot sei, aber eine der Schwestern ist hellsichtiger, wenn sie meint, weil die Wunde nicht heilen kann, sei die Familie voller Trauer. Selbst ein jüngerer Bruder, der zur Zeit von Katrins Verschwinden ein Jahr alt war, hat ihr Bild in seinem Zimmer an der Wand und träumt davon, ein Polizist zu werden und sie dann zu finden.

Heuer zeigt auch die Prozeduren der polizeilichen Fahndung: Er befragte Ermittler, Spezialisten und Lokaljournalisten, aber alle Ermittlungsansätze und Aktionen führten ins Leere. So kommt er immer wieder zur Familie zurück, die, auch wenn es inzwischen Enkelkinder gibt, zwar älter wird, aber auch wie eingefroren in der Zeit wirkt.

Heuer macht dies auch dadurch deutlich, dass er seinen Film nicht chronologisch geschnitten hat, sondern einer Dramaturgie der Emotionen folgt. Wie eine Urszene, wie ein letzter Blick auf eine heilere Welt wirken dabei die Amateurvideoaufnahmen, auf denen die Familie wenige Tage vor Katrins Verschwinden Weihnachten feiert.  HIP

Michael Heuer präsentierte seinen Film kürzlich auf der Berlinale; Montag, 23.15 Uhr, NDR Fernsehen