betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Warum diese Kolumne heute nicht mit einem schönen Theaterzitat beginnen? Es stammt vom großen Theaterregisseur Adolf Dresen, dem Vater des Filmregisseurs Andreas Dresen, und ist auf der Webseite des Theaters 89 nachzulesen. Von dort gibt es ein ziemlich schräges Winterspektakel anzukündigen. Aber erst einmal das Zitat: „Die Chance des Theaters liegt in seinem Widerstand gegen die Zeit“, schrieb also Adolf Dresen, der 2001 in Leipzig starb. „Es ist heute vielleicht die schwierigste, eben darum vielleicht auch die wichtigste Kunst. Es wird seine Notwendigkeit nicht in Protestresolutionen beweisen, sondern nur am Abend auf der Bühne. Gerettet werden kann es nur durch seine Zuschauer.“

Das Wintertheaterspektakel des Theaters 89 ist auch gleich ein schönes Beispiel für die Unzeitgemäßheit, mit der das Theater sich – und uns – gegen aktuelle Angriffe auf die Zeit durch Google, Facebook & Co zu wappnen versucht. Unter der Überschrift „Wolfsblut – Die Spur des Fleisches“ erzählt es vom Überlebenskampf zwischen Zivilisation und Wildnis. Der Stoff stammt aus Jack Londons legendärem Roman „Wolfsblut“ und wird an einem höchst speziellen Schauplatz mit Feuershow, Band und Flieger in Szene gesetzt: in Niedergörsdorf südlich von Berlin auf dem kleinen Flugplatz Fläming Air. Die Idee zu diesem Spektakel stammt von Theater-89-Chef Hans-Joachim Frank. Im Kontext der Vorstellungen in freier Wildbahn kann man auch Bekanntschaft mit echten Brandenburger Indianern machen (Theater 89, 21. & 28. 2., jeweils 17.30 Uhr, www.theater89.de).

Gegen die Zeit, besser gesagt gegen das Vergessen, arbeitet das Historikerlabor, das Theater und Wissenschaft verbinden will. Es betreibt klassische historiografische Forschung, um daraus Dokumentartheater zu generieren. Das neue Projekt haben Kalliniki Filli und Christian Tietz entwickelt: „Zur Endlösung der Zigeunerfrage – Ein fiktives Symposion – Berlin 16. Dezember 1942“. Die Uraufführung findet am 20. Februar passenderweise im Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin-Dahlem statt (Historikerlabor, 20. 2. um 19.00 Uhr, www.historikerlabor.de).

Inwieweit Sprache unser Denken und unsere Individualität vorformatiert, hat ebenfalls Generationen von Forschern beschäftigt. Aber es ist auch ein ureigenes Theaterthema. 1967 spielte Peter Handke diese Frage anhand des Falls von Kaspar Hauser durch. In der Regie des jungen Regisseurs Sebastian Sommer wird „Kaspar“ nun am Berliner Ensemble wieder inszeniert. Und zwar in einem Bühnenbild von Johannes Schütz (Berliner Ensemble: „Kaspar“, Premiere 21. 2., 19.30 Uhr).