Ava DuVernays „Selma“ ist erstaunlicherweise der erste als Martin-Luther-King-Biopic beworbene Kinofilm. Allerdings führt das Etikett in die falsche Richtung: „Selma“ ist gerade deshalb so beeindruckend, weil er ganz gegen die eingeschliffenen Konventionen eines Biopics erzählt. Es gibt keine Kindheitsszenen, und es wird nicht retrospektiv von einem tragisch-triumphatorischen Ende her erzählt. Stattdessen geht es um eine konkrete politische Aktion: In gebotener Trockenheit werden die Vorbereitungen für einen Marsch von Selma, Alabama, nach Montgomery geschildert, mit dem für das Wahlrecht der Schwarzen demonstriert werden sollte. Dafür, dass Präsident Lyndon B. Johnson (Tom Wilkinson) im Film die Rolle des Antagonisten zukommt, haben ihn Konservative in den USA scharf angegriffen. Diese Kontroverse war wohl auch daran schuld, dass „Selma“ zwar eine Oscar-Nominierung als bester Film erhielt, in den anderen Kategorien aber übergangen wurde. Dabei hätte Ava DuVernay die Ehre gebührt, als erste schwarze Frau für einen Regie-Oscar in Frage zu kommen, auch David Oyelowos Verkörperung von Martin Luther King verdient das ganz große Lob.