Musik zur Herbstzeit

Das Duo Beach House spielte am Mittwoch im Bastard. Ein trüber Abend, aber nicht ohne Erkenntnisgewinn. Zum Beispiel sind es oft lustige Menschen, die traurige Musik machen. Selten ist es andersherum. Außerdem: Auch stumme Fische können singen

VON RENÉ HAMANN

Trübes Herbstwetter mit wenig Sonne. Zuhause knistern Kamin und Schallplatte um die Wette, und doch ist man an diesem recht unwirtlichen Mittwochabend vor die Tür gegangen, schließlich gab es da draußen die Musik zur Zeit: Beach House spielten im Bastard. Dieselbe Idee hatten nicht viele, aber genügend Menschen, um das Duo Beach House von ihrem besten Europakonzert sprechen zu lassen. Dabei sah das Publikum im Durchschnitt bemerkenswert alt aus. Zum Glück waren wir auch da.

Dass Beach House nicht eben feiersüchtiges Jungvolk anzieht, liegt in der Natur der Sache. Beach House, Alex Scally und Victoria Legrand aus Baltimore, Maryland, USA, spielen schwindsüchtige Musik an der Grenze zum Stillstand. Immer schleppt sich eine Beatbox dahin, dazu gibt es verhallte, submarine Gitarrensounds und die nebulösen, antik klingenden Orgeln, die Legrand spielt. Auch ihr Gesang klingt nicht eben nach immerwährender guter Laune. Legrand, geborene Französin, Nichte des Filmkomponisten Michel Legrand, hat allerdings eine tolle Stimme, tief und verhaucht. Man stelle sich vor, Nico hätte singen gekonnt und auch höhere Lagen erreicht. Im Bastard jedenfalls wunderte man sich immer wieder, wie problemlos Legrand die Lagen wechseln konnte, obwohl es sich oft anhörte, als ob ihr gerade jetzt die Stimme versagen würde. Aber Irrtum.

Privat scheint Victoria Legrand eher eine Lustige zu sein. Sie freute sich über das Publikum, alberte herum, machte das Beste aus der wenig Freiheiten erlaubenden Position hinter der Orgel, deutete Tänze an. Sie trug normale Jeans und eine Art Norwegerpulli, womit sie amerikanisch schräg und leicht öko aussah. Mit ihren langen, welligen, braunen Haaren sang sie wie ein Fisch. Mit weit offenem Mund. Alex Scally, ein gut aussehender junger Mann mit vielen dunklen unordentlichen Haaren und einem spärlichen Vier-Tage-Bart, beugte sich meist über seine Gitarre und schob ein Bottleneck über die Saiten, um anständige Glissandi zu spielen.

Das Problem an diesem Abend war der Sound und die Songauswahl. Beach House klangen immer eine Spur zu verhallt, zu breit, zu breiig. Ihre tief melancholischen Stücke verloren sich manchmal in zu komplexen Strukturen. Irgendwas fehlte, der Kern des Ganzen vielleicht, wie meine charmante Begleitung meinte, oder eben der richtige Punch in die Magengrube, ein voller Bass, ein wirkliches Hinunterziehen. Die totale Depression. Trotzdem reichte es, sich mit dem Auftritt der beiden in der aufkommenden Novemberstimmung einzurichten und sich in seiner Trübsinnigkeit wohl zu fühlen. Beach House machten die Musik zum allgemeinen Rückzug, zur Hormonumstellung und Vorbereitung auf einen langen, harten Winter. Musik zur Zeit eben. Immerhin spielten sie neben „Tokyo Witch“ und anderen sinistren Stücken ihres in diesem Jahr erschienenen Debütalbums auch neue Sachen. Das beste Stück, „Master of None“, kam zum Schluss.

Anschließend spielten übrigens Arbouretum. Ebenfalls aus Baltimore, Maryland, was diese leicht merkwürdige Zusammensetzung zweier Bands, die stilistisch nicht weiter auseinanderliegen könnten, ein bisschen erklärt. Arbouretum sind zwei rasierte und zwei sehr bärtige Jungs, die sehr bärtige Rockmusik spielen. Eine Mischung aus Noise und Blues Rock, Grunge und Post Rock, sehr hippiesk jedenfalls, sehr aus der Zeit geplumpst und irgendwie provinziell. Nicht schlecht, aber so schon zu oft gehört und irgendwie unnötig.

Der Schlagzeuger war ganz gut.