sonntag in bremen
: Der Staat als Fetisch

Felix Klopotek spricht über die politische Romantik der RAF

taz: Inwiefern war die RAF romantisch veranlagt?

Felix Klopotek, Journalist und Autor: Es ist eine Romantik, die sich in einem bestimmten Staatsverständnis wiederspiegelt, das den Staat als persönlichen Gegner begreift, an dem man Rache nimmt. Es geht um eine radikale Staatskritik, die sich selbst um ihren emanzipatorischen Impetus bringt.

Sie haben den Staat verherrlicht, den sie ablehnten?

Fetischisiert, zum großen Popanz aufgeblasen, jedenfalls in der allerersten Generation. Später ging es ja nur noch darum, die Gefangenen herauszuholen, das war dann schon von einem erheblichen Autismus geprägt. In den Anfangstagen der RAF war das noch anders: Da haben sie ungewollt eine Art Gegen-Staat proklamiert, verstanden sich dabei als die wahren Sachwalter der Volksinteressen. Sie wollten durch Bomben, die man ins Bewusstsein wirft, den Unmut des Volkes zur Revolution aufstacheln. Der Staat ist dabei nur noch das Unterdrückungsorgan. Und die RAF ist das ausführende Organ des von ihr so gesehenen „Volks-Staates“. Aber je mehr die RAF versucht, zur Unmittelbarkeit der Tat zu schreiten, je gewundener wird die intellektuelle Konstruktion, die das begründen soll.

Bleibt davon heute mehr als ein historisches Interesse?

Was mich interessiert, ist die Frage: Wie kommt es, dass eine Gruppe, die den Kapitalismus – verkörpert im bürgerlichen Staat – auf radikalst mögliche Weise bekämpft, in ihrem ganzen Handeln staatliche Strukturen reproduziert? Das ist bis heute ein Grundproblem linker Politik und Theorie. Fragen: Jan Zier

20 Uhr, Nook, Friedrich-Rauers-Str. 10