Zwangsarbeit im Bordell

Eine Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme beschäftigt sich mit einem wenig beachteten Aspekt des NS-Terrors: der Sex-Zwangsarbeit in KZ-Bordellen

In der Geschichte der Konzentrationslager sind Häftlingsbordelle ein bisher wenig beachtetes Phänomen. Die weiblichen Häftlinge, die in den Bordellen zur Sexarbeit gezwungen wurden und überlebten, schwiegen nach 1945 ebenso wie die männlichen Häftlinge, denen im Rahmen eines Prämiensystems von der SS der Bordellbesuch ermöglicht wurde. Zwischen 1942 und 1945 wurden Frauen in insgesamt zehn Konzentrationslagern zur Sex-Zwangsarbeit gezwungen. Die meisten von ihnen wurden dabei aus dem Frauen-KZ Ravensbrück rekrutiert.

Eine Ausstellung der dortigen Mahn- und Gedenkstätte, die sich mit diesem unterbelichteten Aspekt des nationalsozialistischen Terrors auseinandersetzt, ist nun im Südflügel der ehemaligen Walther-Werke auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zu sehen. Eröffnet wird sie am Mittwochnachmittag.

Die Häftlingsbordelle in den Konzentrationslagern waren Teil eines Systems von Bordellen, das von der SS organisiert wurde. Männlichen Häftlingen sollte deren Besuch zum einen als „Leistungsanreiz“ dienen. Zum anderen fürchtete die SS die Ausbreitung von Homosexualität und Geschlechtskrankheiten in den Lagern – und glaubte, mit den Bordellen dieser Entwicklung entgegenwirken zu können: Die erzwungene Prostitution als Kanalisierung und Überwachung männlicher Sexualität, als Gesundheitspolitik, stets den rassistischen und antisemitischen Vorgaben der nationalsozialistischen Ideologie folgend.

In die Prostitution gezwungen wurden weibliche KZ-Häftlinge ab 1942. In der Regel waren es deutsche, nichtjüdische Frauen, die aus verschiedenen Gründen, wegen Arbeitsvertragsbruch, wegen Umgangs mit nichtdeutschen Zwangsarbeitern oder wegen verbotener Straßenprostitution inhaftiert wurden. Im Bordellsystem zeigte sich so die Doppelmoral nationalsozialistischer Sexualpolitik. Offiziell wurde die Prostitution bekämpft, während in den Lagern die Sex-Zwangsarbeit in großem Umfang institutionalisiert wurde.

Die Ausstellung beschränkt sich indes nicht auf den „Arbeitseinsatz“ im Lager-Bordell. Denn daneben gab es in den Lagern auch inoffizielle sexuelle Ausbeutung: etwa in Form von alltäglichen Übergriffen und häufig als Teil von Tauschbeziehungen erzwungenen sexuellen Beziehungen. ROBERT MATTHIES

Ausstellung „Sex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern“: Eröffnung am Mi, 31. 10., 16 Uhr, KZ-Gedenkstätte Neuengamme / Südflügel der ehemaligen Walther-Werke