Kleinere Rendite, größeres Glück

Die Finanzberaterin Ulrike Müller über das Lösen von Geldblockaden, die Suche nach Familienproblemen und das Wohlgefühl durch richtige Geldanlage

Ulrike Müller, Jahrgang 1961, arbeitet als Finanzfachfrau und Finanzmaklerin in Bremen.

Interview Felix Zimmermann

taz: Frau Müller, über das, was Sie als Finanzberaterin anbieten, ließe sich prima witzeln. Sie versprechen Hilfe beim Lösen von Geldblockaden. Damit ist wohl nicht gemeint: Wenn keine Kohle da ist, komme ich zu Ihnen, danach läuft‘s wieder. Ulrike Müller: Die Bandbreite an Blockadevarianten ist groß. Gerade auch bei Erbschaften kann es zu Geldblockaden kommen. Das hängt oft mit Problemen in der Familie zusammen. Mein Ziel ist es, diese Probleme zu finden, um so die Blockade zu lösen und vernünftig mit dem Geld umgehen zu können.

taz: Welche Probleme können das sein?

Ich hatte den Fall einer jungen Frau, die auf einen Schlag ziemlich viel Geld vererbt bekam. Aber sie hatte damit ein ganz schlechtes Gefühl, mochte auch mit dem Geld nichts machen, weil sie auf keinen Fall wollte, dass daraus mehr wird. Sie hatte das Gefühl, dieses Geld stünde ihr eigentlich nicht zu. Im Rahmen einer spirituellen Aufstellungsarbeit sind wir dann nach und nach an den Kern dieser Geldblockade gelangt: Das Geld stammte aus dem Vermögen einer Firma, welche sich im Besitz der Familie befand. Es war nie darüber geredet worden, woher diese Firma kam – und es stellte sich heraus, dass sie einst Juden gehörte und während des Dritten Reichs enteignet worden war, die Familie unrechtmäßig zu diesem Vermögen kam.

Und dann? Haben Sie angeregt, dass die junge Frau mit ihrem Erbe eine Art Entschädigung leistet?

Nein, darum ging es auch nicht. Wir wollten durch die Aufstellungsarbeit zunächst erreichen, dass die Frau überhaupt das Geld annehmen kann. Sie war blockiert, hatte irgendwie gespürt, dass damit etwas nicht stimmte. Durch unsere Arbeit kam dies ans Licht und wurde somit bereinigt. Diese Frau konnte sich daraufhin überlegen, was sie mit dem Geld anfangen möchte. Sie war nicht mehr mit der Vergangenheit verstrickt.

Üblicherweise wäre der Frau geraten worden, das Geld anzulegen. Was wäre so falsch daran gewesen?

Viele Menschen erben. Plötzlich verfügen Sie über eine Menge Geld. Sie reagieren dann oft panisch und haben das Gefühl: Ich muss dass jetzt sofort anlegen. Sie haben dann gar keine Beziehung zu diesem Geld, auch nicht zum Erblasser. Die junge Frau aus dem Beispiel wollte am liebsten gar nichts mit dem Geld zu tun haben.

Hätte Sie es angelegt, wäre es still und leise mehr geworden.

Ich rate mitunter, dass zunächst einmal das Geld auf einem Tagesgeldkonto geparkt wird. Um dann in Ruhe das Thema zu suchen, was sie belastet.

Eine Beziehung zum Geld aufzubauen, innerfamiliäre Probleme zu suchen und zu lösen – das klingt nach harter Arbeit auf dem Weg zur Rendite.

Aber gerade die kann sich lohnen. Ich erlebe es oft, dass Menschen gedankenlos mit ihrem Geld umgehen, es mit dem Wunsch nach möglichst viel Ertrag anlegen und dann unglücklich werden, es geradezu bereuen. Wenn sie ihre Anlage dann nach zwei Jahren kündigen, geht das häufig nur mit Verlust einher. Oft zeigt sich dies in Erbfällen. Deshalb plädiere ich dafür, erst einmal die vielleicht ungeklärte Beziehung zum Erblasser anzugehen, oder sich genau zu überlegen, was ich als Person will, wo ich mit meinem Geld hin will. Worin es mich wirklich unterstützen soll. Es muss nicht die höchste Rendite sein, die glücklich macht. Aus meiner Sicht geht es darum, eine wirkliche Beziehung zum Geld herzustellen und es erst dann anzulegen.

Wie erkennen Sie, ob bei KundInnen solche Probleme schlummern?

Oft fühlen diese Menschen selbst, dass etwas nicht stimmt und sprechen es von sich aus an. Zudem bitte ich vor der Beratung einen so genannten Erfassungsbogen auszufüllen. Unter anderem enthält dieser Bogen eine Ausgabenliste. Von 100 Bögen kommen circa drei zurück von Menschen, die genau wissen, was sie ausgeben und damit im Einklang sind. 45 sind entsetzt über die Summe, die alle ihre Ausgaben zusammenfasst und 25 können kaum Angaben machen, weil sie gar nicht wissen, wofür sie ihr Geld ausgeben. Die haben regelrecht Angst davor, sich das anzuschauen. Bei denen weiß ich, dass ich mehr tun muss, und ich mache diese Menschen darauf aufmerksam. Oftmals sind sie sehr froh, dass es erstmal nicht um die Anlage geht, sondern um ihre Beziehung zum Geld. Sie entspannen sich gleichermaßen damit.

Aber letztendlich wollen doch alle nur Rendite und davon möglichst viel.

Das ist richtig und es ändert sich langsam. Der Umgang mit Geld ist verantwortungsvoller geworden. Auch da geht es um den Einklang von Mensch und Psyche. Und auch in Bezug auf unsere Erde werden heute verstärkt Anlagen gewählt, die ökologisch und nachhaltig ausgerichtet sind. Die Anlagen mit dem größten Zugewinn machen nicht unbedingt glücklich. Kann es denn befriedigend sein, in Rüstungsunternehmen zu investieren, auch wenn es viel Geld bringt? Ich glaube, das geht nicht. Ich kann das jedenfalls nicht mehr.

Muss man denn jetzt ein schlechtes Gewissen haben, wenn man bisher keine ökologischen Anlagen gewählt hat?

Nein. Entscheidend ist, ob jemand bereit ist dies zu überdenken und einen neuen Weg zu beschreiten. Ein schlechtes Gewissen habe ich nur, wenn ich keine Verantwortung übernehmen will. Und das kann ich ja ändern.