ortstermin: Papstberater Robert Spaemann in Hamburg
: Von der mühsamen Bekehrung der Heiden

In der Reihe „Ortstermin“ besuchen AutorInnen der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms

Vielleicht sollte man gar nicht versuchen, den eigenen Glauben logisch zu begründen: Daran sind schon ganz andere gescheitert. Warum also muss sich Robert Spaemann im „Philosophischen Café“ des Hamburger Literaturhauses damit abmühen – nur, weil er theologischer Berater des Papstes ist? Warum überhaupt zu den Hanseaten in den Norden reisen, wo sie den Katholizismus doch seit jeher skeptisch beäugen? Andererseits scheinen die vermeintlichen Heiden an der Elbe Auen durchaus neugierig zu sein auf den erzkonservativen 80-Jährigen, der stetig von der Spur Gottes spricht. Wären sie sonst, zumal im beträchtlichen Pulk, zu seiner Veranstaltung erschienen?

Das Publikum indes war stark durchsetzt von Anzugträgern, die starr in die Bibel blickten oder meinethalben andere erbauliche Kompendien, aber unter allen Umständen bloß nicht auf die schnieke Blondine gleich nebenan. Was Spaemann dann an Übers-Publikum-Hinwegdozieren praktizierte, konnte sich sehen lassen: Unermüdlich dozierte er – angereist mit fiebrigem Kopf – über den Unterschied zwischen Mensch und Person. Das Thema hätte interessant werden können, arbeitet etwa die EU doch gerade daran, „Menschenrechte“ durch „Personenrechte“ zu ersetzen, was einigen Argwohn in puncto Embryonenforschung erregt. Spaemann jedoch ließ schon hier mögliches Diskussionspotenzial ungenutzt; an Einwänden durch die schnöden Massen scheint ihm wenig gelegen zu haben. Dabei hätte kommunikative Kompetenz hier ein schönes Beispiel sein können – für eine eben doch vorhandene Fähigkeit der katholischen Kirche zum Dialog.

Aber Dozent bleibt Dozent, und Axiom ist Axiom. So fielen Spaemanns Begründungen für die Existenz Gottes dann auch eher schwach aus: Eine derart ausgeklügelte Natur wie die uns umgebende könne kein Zufallsprodukt sein, sagte er etwa. Und befand sodann, die Unerklärbarkeit der Welt mache die Existenz eines sinngebenden Gottes wahrscheinlich. Da schwieg das Publikum, anfangs milde skeptisch, dann geradezu verstockt.

Ob aber das Staunen über die Wunder nicht schon ein religiöser Akt sei, wagte der Moderator Reinhard Kahl zu fragen, und ob man Gott da vielleicht gar nicht brauche. Spaemann wich sofort aus: Das schon – aber Gott habe der Welt Sinn gegeben. Den aber, wandte dann doch ein Herr von hinten links ein, könne doch auch das menschliche Gehirn ersinnen. Ja, sprach Spaemann – aber das Bewusstsein müsse ja irgendwie entstanden sein.

Des Papstes Berater hielt zwar keinem Argument stand, fand dafür aber stets flink ein anderes. Das Publikum zweifelte und fragte, doch der Theologe wurde nicht konkreter. Verstieg sich vielmehr zu allerlei Thesen über das, was die ewige Wahrheit sei: „Zum Beispiel, dass wir alle hier sitzen.“ Das könne aber doch auch Schein sein, sagte eine Frau, er selbst habe doch gerade Platons Höhlengleichnis zitiert. „Ja, aber meinen Schmerz, den fühle ich doch.“ Wie ein junges Känguru sprang Spaemann von Argument zu Argument, wich aus, wo zu begründen gewesen wäre. Irgendwann war er schließlich hier angekommen: Das Bedürfnis zu danken sei ein Hinweis auf die Existenz Gottes. Eine argumentative Engführung, gegen die das Publikum immer machtloser wurde. Fast schüchtern fragte schließlich einer, warum die katholische Kirche so lange gebraucht habe, um Galilei zu rehabilitieren. Darauf ging Spaemann nur ungern ein: „Da ist man ein bisschen spät gekommen, das schon.“ Die Existenz des Bösen in einer so sinnreich arrangierten Welt dagegen sei nicht der Rede wert: Die Welt sei eben so erschaffen.

Auch keine ganz neue Idee. Ob Spaemanns, kaum überraschend, dogmatischer Vortrag nun zur Bekehrung der nordischen Heiden sich eignete? Die nächste Volkszählung wird es zeigen. PETRA SCHELLEN