Wahlkampf mit der Moralkeule

FEHDE Theo Zwanziger versus Wolfgang Niersbach. Die Ethikkommission der Fifa soll es nun richten

Zumindest Theo Zwanziger glaubt ganz fest an die Integrität und Unbestechlichkeit der Ethikkommission der Fifa. „Ich will einfach wissen, ob die Vorwürfe mir gegenüber berechtigt sind.“ Mit diesen Worten begründete das Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees in einem Interview mit der FAZ am Donnerstag, warum er die Moralabteilung des Weltfußballverbands eingeschaltet hat, um die Bezüge des DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach überprüfen zu lassen.

Bereits vergangenen Juni zu Beginn der WM in Brasilien hat Zwanziger die Rechtmäßigkeit der Verdienstregelungen seines Amtsnachfolgers beim DFB in Zweifel gestellt, weil der als Ehrenamtler nicht nur Aufwandsentschädigungen, sondern auch eine Verbandsrente aufgrund seiner früheren Tätigkeiten erhält. Das DFB-Präsidium reagierte pikiert, bezeichnete die Vorwürfe als „falsch und rufschädigend“ und forderte Zwanziger auf, aus dem Exekutivkomitee der Fifa zurückzutreten. Das wiederum brachte Zwanziger auf die Palme. Er setzte dem DFB eine Frist, um in einem Mediationsgespräch den Konflikt zu entschärfen. Weil der Verband sie verstreichen ließ, soll es nun die Fifa richten. Die Replik des DFB ließ nicht lange auf sich warten. „Lächerlich“ bezeichnete Mediendirektor Ralf Köttker das Vorgehen von Zwanziger.

Auf den ersten Blick könnte man den Konflikt als verfahrene Funktionärsfehde abtun. Zu unterschiedliche Welten prallen da aufeinander. Seit zwei Jahren, erklärte Niersbach auf die Angriffe seines Vorgängers, sei Zwanziger in der Isolation. Dessen humanistisch begründete Verbandspolitik kam in den Ohren von Niersbach und Co. schon immer als wenig zielführendes Pfaffengeschwätz an. Im Stile eines Richard von Weizsäckers führte Zwanziger den Verband. Er punktete aber nicht nur mit wohlfeilen Reden, wie bei der Trauerfeier von Robert Enke, sondern setzte auch mit der Unterstützung des Frauen- und Amateurfußballs gesellschaftspolitische Akzente. Zwanziger verwies dabei immer auf die gemeinnützige Verfasstheit des Verbands.

Niersbach geht es weniger um moralische Glanzauftritte als um den Erfolg des Flaggschiffs des Verbands, der Nationalelf. In ihrem Sog, so seine Überzeugung, wendet sich auch für den Rest alles zum Guten.

Zwanziger schmerzt es gewiss, dass sein Intimfeind Niersbach ihn bald auch bei der Fifa beerben soll. Seine Amtszeit läuft aus. Die jüngste Eskalation geht aber weit über die persönliche Ebene hinaus. Im Mai finden die Fifa-Präsidentschaftswahlen statt. Und mächtige Verbände im europäischen Fußball – unter anderem der DFB – unternehmen derzeit alles, um eine weitere Amtszeit von Sepp Blatter zu verhindern. Begründet wird dies mit dem verheerenden Bild, das der Weltfußballverband insbesondere bei der Vergabe der WM an Russland und Katar abgab. Der in Europa isolierte Zwanziger, der seit geraumer Zeit Blatter den Rücken stärkt, weist wiederum zu Recht darauf hin, dass die europäischen Verbände an diesen Entscheidungen maßgeblich mitgewirkt haben. Auf dem Feld der Moral – so könnte man meinen – ist innerhalb der Fifa kein Wahlkampf zu gewinnen.

Aber genau diesen Versuch unternimmt nun Theo Zwanziger. Wenige Wochen vor der Wahl erscheint die Anrufung der Ethikkommission, über den Blatter-kritischen Funktionär Niersbach zu richten, wie ein wahltaktisches Manöver. Zumal der Kern des aufzuklärenden Sachverhalts, ob der DFB sich bei seiner Honorierung im Sinne eines gemeinnützigen Vereins verhalten hat, ohnehin absurd ist. Von der Gemeinnützigkeit haben sich die gewinnorientierten Fußballverbände schon lange verabschiedet – allen voran die Fifa. Das müsste auch der Theo-loge Zwanziger wissen. JOHANNES KOPP