Der dürre Dreizeiler aus Berlin

EUROKRISE Wolfgang Schäuble weist den Hilfsantrag der Griechen als unzureichend zurück. Mit seiner Auffassung isoliert sich der Bundesfinanzminister unter seinen Kollegen

„Der Brief aus Athen ist kein substanzieller Lösungsvorschlag“

WOLFGANG SCHÄUBLE

AUS BRÜSSEL ERIC BONSE

So schnell kann’s gehen: Nur eine Stunde nachdem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Donnerstag den lang erwarteten Hilfsantrag aus Griechenland gelesen und gelobt hatte, schoss Berlin schon quer. „Der Brief aus Athen ist kein substanzieller Lösungsvorschlag“, ließ Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in einer überaus kühl und undiplomatisch formulierten Drei-Zeilen-Erklärung mitteilen.

Damit war die Hoffnung auf eine schnelle Lösung der Schuldenkrise zerstoben. Noch gestern Nachmittag wollten sich die Experten der Eurogruppe in Brüssel treffen, um das zweiseitige Schreiben von Finanzminister Janis Varoufakis (siehe unten) zu analysieren und Kompromisse auszuloten. Für Freitag hat Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem ein Ministertreffen einberufen. Doch die Aussichten auf eine Einigung stehen schlecht. Denn ohne oder gar gegen Berlin geht gar nichts in Brüssel. Die Eurogruppe entscheidet einstimmig; erst wenn Schäuble nickt, kann die Krise entschärft werden.

Nun droht erst einmal eine Verschärfung, denn Athen steht unter Druck: Viele Griechen plündern ihre Bankkonten, im griechischen Budget klafft ein großes Loch. Schon nächste Woche könnte der neuen Regierung unter Alexis Tsipras das Geld ausgehen. Ihr blieb daher gar nichts anderes übrig, als die Eurogruppe um neue Hilfen zu bitten. Und da die EU-Partner sich weigerten, das laufende, ungeliebte Hilfsprogramm fallen zu lassen, hat Varoufakis nun sogar die bisher größte Kröte geschluckt und eine Verlängerung um sechs Monate beantragt.

Zwar heißt die Hilfe jetzt nicht mehr Programm, sondern „Master financial assistancefacility agreement“. Die Aufsicht unterliegt auch nicht mehr der Troika, sondern den „Institutionen“. Doch ansonsten hat sich wenig geändert im Hilfsantrag, den Varoufakis mit freundlicher und aktiver Unterstützung von Juncker formuliert hat. Varoufakis bekennt sich zu einer soliden Budgetpolitik und zum Schuldendienst – dass in Athen die Linke regiert, ist in diesem Brief kaum zu erkennen.

Nur aus Details lässt sich eine linke, soziale Handschrift herauslesen. So werden tief greifende Reformen angekündigt, die den massiv gefallenen Lebensstandard heben sollen. Athen will auch künftig weniger Geld in den Schuldendienst stecken und das halbe Jahr mit EU-Hilfe nutzen, um „ohne Erpressung und Zeitdruck“ einen neuen Vertrag mit den Europartnern auszuhandeln.

Vor allem das scheint Schäuble zu stören. Athen wolle doch nur eine „Brückenfinanzierung“; es fehle ein klares Bekenntnis zu den Spar- und Reformauflagen. Genau in dieser Ambivalenz liegt aber aus Sicht von Juncker der Reiz des Textes. Der Antrag sei ein „erstes positives Signal“, ließ er seinen Sprecher verkünden. Auch Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem scheint dies ähnlich zu sehen, sonst hätte er wohl kaum die Sondersitzung der Eurogruppe am Freitag einberufen.

Dort dürfte es nun zum Showdown kommen – mit ungewohnten Fronten: Erstmals wirkt Schäuble isoliert, während Varoufakis wenigstens auf verbale Unterstützung von Juncker und Dijsselbloem hoffen kann. Auch Frankreich und Italien dürften Griechenland unterstützen.

Doch was passiert, wenn Schäuble hart bleibt? Dann könnte das Worst-Case-Szenario wahr werden – mit einem Ansturm auf die griechischen Banken und einem Absturz an den Märkten. Selbst ein „Grexit“, also ein Rauswurf aus dem Euro, scheint denkbar. Möglich ist aber auch, dass es zu einem Sondergipfel der Eurozone kommt, den Athen ins Gespräch gebracht hat.

Dort würde nicht Schäuble, sondern Kanzlerin Angela Merkel die Verhandlungen führen. Vielleicht zeigt sie sich ja kompromissbereiter.