„wilhelm tell“ im theater am goetheplatz
: Ein Volk aus Zauderern

Schillers „Wilhelm Tell“ ist eines jener Stücke, bei denen das Wort „Klassiker“ den Beigeschmack des Verstaubten hat, dazu wage Erinnerungen an den Schulunterricht weckt. Wer darob von Christian Pade, dem neuen Hausregisseur des Bremer Theaters, eine radikale Neuinszenierung erwartet hatte, der sah sich bei der Premiere enttäuscht. Doch „Buh“- und „Bravo“-Rufe hielten sich am Ende die Waage.

Pade inszeniert seinen Tell sehr textgetreu, mit schlichtem, modernem Design drum herum, aber weder als großen Freiheitskampf noch als Auseinandersetzung mit aufkeimendem Nationalismus. Er wirkt in erster Linie durch den philosophischen Impetus von Schiller selbst. Dort, wo Pade versucht, gleichwohl behutsam zu modernisieren, scheitert er: Weil er sich nicht recht zwischen Klassik und Moderne entscheiden kann, wirkt sein Schwarz-Rot-Gold auf der Bühne ebenso halbherzig, aufgesetzt wie die Intonation der Deutschlandhymne auf dem Rütli.

Pades Tell ist kein Revolutionär, kein Che Guevara, kein Desperado aus einem Italo-Western, sondern ein zögerlicher Familienvater im dunklen Anzug, ein Held wider Willen, der dem Merchandising anheimfällt. Tell ist der Erste einer Gemeinde aus Zauderern. Und schafft damit doch noch eine Brücke zum deutschen Volke. Jan Zier