Im Reich der Flankengöttinnen

Ein Torfestival gab es diesmal nicht, aber dafür feine Fußballkost: Die Fußballweltmeisterinnen traten in Lübeck erstmals wieder zu Hause an und sind nach dem 3 : 0 gegen Belgien auf EM-Kurs

VON RALF LORENZEN

Gestern hatten Norddeutschlands Fußballfreunde endlich mal wieder die Gelegenheit, ihre Sommermärchen-Garderobe auszuführen. Ob auf der A 1 aus Hamburg oder auf der B 404 aus Bad Segeberg – die Busse und Autos auf dem Weg nach Lübeck zeigten massenhaft Flagge. Und auch die altehrwürdige Lohmühle präsentierte sich statt in tristem Regionalliga-Grau im schwarz-rot-goldenem Festtagsputz. Schließlich galt es nicht nur die Fußballweltmeisterinnen das erste Mal nach dem Titelgewinn in China auf heimischem Boden zu begrüßen, sondern auch letzte Sympathiepunkte für die WM-Bewerbung 2011 zu machen.

Die euphorische Feier-Stimmung vor Spielbeginn ließ fast vergessen, dass es um die Qualifikation zur Europameisterschaft 2009 ging. Aber der WM-Erfolg und die bisherigen Ergebnisse der Gruppe 4 schürten beim Publikum offenbar die Hoffnung auf ein Schützenfest. Schließlich hatte Belgien zuvor sogar gegen die vom deutschen Team mit 7 : 0 abgefertigte Schweiz verloren.

Das 1 : 0 durch Kerstin Garefrekes nach acht Minuten verkündete der Stadionsprecher in einem Tonfall, als seien weiteren Treffer nur noch Formsache. Und nach dem 2 : 0 zwei Minuten später durch Sandra Minnert, die vor dem Spiel ihren Rücktritt aus dem Nationalteam angekündigt hatte, befürchtete selbst Belgiens Trainerin Anne Noe das Schlimmste. „Da dachte ich, was ist denn hier los?“, sagte sie nach dem Spiel. Folgerichtig verstärkten die Belgierinnen erst mal ihre beiden Abwehrketten.

Mit Erfolg – die deutsche Elf, die kurzfristig das komplette defensive Mittelfeld mit Renate Lingor und Simone Laudehr ersetzen musste, rannte die folgenden 64 Minuten erfolglos aufs belgische Tor. Doch die Fachkundigen auf der Haupttribüne erfreuten sich auch an intensiven Zweikämpfen im Mittelfeld. Als Martina Müller nach einem schmerzhaften Pressschlag sofort wieder aufstand ohne zu lamentieren, meinte eine Zuschauerin: „Ist eben kein Mann.“

Gefährlich wurde das DFB-Team nur über de Flügel. Melanie Behringer, Kerstin Garefreke und Kerstin Stegemann brachten jede Menge schöner Flanken und Ecken in den Strafraum, die auf der Tribüne für Zungeschnalzen sorgten. Doch Birgit Prinz und Co. verstolperten in der Mitte reihenweise. „Da hat die Konzentration gefehlt“, analysierte Trainerin Silvia Neid nach dem Spiel.

Die torlose Stunde bescherte dem Spiel größere Stimmungslöcher. Leider vertraute der Stadionsprecher nicht auf die Kraft zur Selbstorganisation, sondern feuerte das Publikum mit Verweis auf Millionen Fernsehzuschauer penetrant zur „La Ola“-Welle an: „Eine geht noch.“ Aus freien Stücken schwappte die Stimmung erst gegen Ende des Spiels wieder über: Weltfußballerin Birgit Prinz machte endlich ihr Tor und WM-Heldin Nadine Angerer sorgte für eine spektakuläre Flugeinlage im Tor.

Da durfte zum Schluss der Evergreen „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ nicht fehlen. Dem konnte sich sogar die Gästetrainerin anschließen, die froh war, nicht deutlicher unter die Räder geraten zu sein: „Das war heute 2 CV gegen Ferrari.“