Der Tod liegt immer auf der Lauer

KOLUMBIEN Der Guerillachef der Farc, Alfonso Cano, wurde am Freitag von der Armee getötet. Ein Ende des jahrzehntelangen Bürgerkriegs ist deshalb aber nicht in Sicht

Möglicherweise droht jetzt sogar ein Führungsstreit in der Farc

VON JÜRGEN VOGT

BUENOS AIRES taz | „Der Frieden in Kolumbien wird nicht durch eine Demobilisierung der Guerilla erreicht, sondern durch die definitive Abschaffung der Gründe, die zum bewaffneten Aufstand führen.“ Mit diesen Worten lehnte es die kolumbianische Guerilla-Organisation Farc ab, ihre Waffen abzugeben. Gleichzeitig bestätigte sie den Tod ihres Chefkommandanten Guillermo León Sáenz, alias Alfonso Cano.

Cano war am Freitag in der Ortschaft Belalcázar in der südwestlichen Provinz Cauca getötet worden. „Die Nummer eins der Farc ist gefallen.“ Hemdsärmelig verkündete Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos die Nachricht am Freitagabend. Santos sprach vom schwersten Schlag, der der Guerilla-Organisation in ihrer ganzen Geschichte versetzt wurde. Er rief die Farc auf, die Waffen niederzulegen. „Wenn ihr es nicht tut, werdet ihr im Gefängnis oder im Grab landen“, drohte Santos.

Rund drei Monate war die Armee mit einer eigens dafür angesetzten Militäroperation hinter ihm her. Der letzte Akt begann am Freitagmorgen mit der Bombardierung des Gebiets, das als Rückzugsgebiets des Farc-Kommandanten galt. Drei Tonnen Bomben und Sprengmaterial hatte die Luftwaffe nach eigenen Angaben abgeworfen, bevor Soldaten auf dem Boden vorrückten. Bei einem Feuergefecht zwischen den Soldaten und seiner Schutzgarde soll der 63-jährige Cano getötet worden sein. Der Guerillachef selbst soll unbewaffnet gewesen sein.

Cano hatte die Führung der Farc („Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens“) 2008 übernommen. Damals war der legendäre Anführer und Mitbegründer der größten Guerillabewegung Kolumbiens, Manuel Marulanda, gestorben. Mit dem Tod von Cano wird die Farc weiter geschwächt. Im März 2008 wurde mit Raúl Reyes die damalige Nummer zwei der Farc getötet. Ebenfalls im März 2008 starb Marulanda alias Tirofijo eines natürlichen Todes. Und im September 2010 wurde ihr Militärchef Mono Jojoy alias Jorge Briceño bei einem Gefecht getötet.

Dass der jetzige Tod ihres Chefkommandanten das Ende der Farc einläutet, darf bezweifelt werden. Für den Politologen Alejo Vargas hat die Farc mit Cano ihre wichtigste innere Führungsfigur verloren. Cano war es nach dem Tod von Marulanda gelungen, ein einheitliches Kommando bei der in verschiedenen Blöcken geteilten Guerilla-Organisation aufrecht zu erhalten, analysiert Vargas. Möglicherweise droht jetzt nicht nur ein Richtungs-, sondern auch ein Führungsstreit.

Mit den aussichtsreichsten Nachfolgern Rodrigo Londoño alias Timochenko und Luciano Marín Arango alias Iván Márquez prallen zwei Personen mit unterschiedlichen Profilen aufeinander, so der Politologe. Während Timochenko als Hardliner gilt und mehr auf das Militärische setzt, hat bei Iván Márquez die Politik den Vorrang.

Über das Politische der Farc heißt es in einem 2005 gefundenen Text, der dem getöteten Cano zugeschrieben wird: „Das politische Ziel der Farc-EP ist die Erlangung der Macht für das Volk. Mit dieser Zielrichtung wurde ein strategischer Plan entworfen, in dem die Revolutionären Streitkräfte ebenso eine vorherrschende Rolle spielen, […] wie auch die klandestine Kommunistische Partei (PC3) und die Bolivarianische Bewegung.“

Die Angaben über die Stärke der 1964 gegründeten und ältesten Guerilla-Organisation Lateinamerikas schwanken. Von einstmals 17.000 Rebellen sollen noch 6.000 bis 9.000 den bewaffneten Kampf führen. Noch immer beherrschen sie ganze Gebiete, finanzieren sich heute über Drogengelder.

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