kabinenpredigt
: Auf Imagesuche

Meine Kinokette, meine Rinderzucht, mein Eishockeyverein. Philip F. Anschutz kennt keine Grenzen, wenn er gute Geschäfte wittert. Der streng gläubige Presbyterianer und Republikaner aus Kansas kaufte sich bei seinem Berliner Shoppingtrip im Jahr 1999 den Eishockeyclub Eisbären. Und kurz danach dann auch noch ein riesiges Gelände am Ostbahnhof. Ab September kommendes Jahres werden hier in einer Großarena mit dem Namen „O2-World“ die Kufenflitzer der Eisbären in der Bundesliga auf Puckjagd gehen – in einer gesichtslosen, multifunktionalen Halle also, eingezwängt zwischen einem Boulevardtheater, einem Hotel und womöglich einem Currywurstmuseum.

Es kommt noch schlimmer. Denn zeitgleich mit dem Auszug aus dem Wellblechpalast in Hohenschönhausen soll den Eisbären ein kräftiger Imagetransfer verpasst werden. Auch deshalb befinden sich die Eisbären gerade auf einer Art nostalgischen, sportlichen Abschiedstournee in ihrer eigenen Sporthalle. Und nicht wenige Fans macht das ratlos. Denn sie wissen nicht, ob sie den Umzug mitmachen wollen oder ob sie ihn sich leisten können.

Im Wellblechpalast spielte einstmals der SC Dynamo Eishockey. Dann wurde der Verein in Eisbären umgetauft. Was als Konstante blieb, war das Selbstverständnis eines Ostberliner Sportvereins. Die Fans der Eisbären kommen vorwiegend aus Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf. Das wurde dem zweimaligen deutschen Meister immer wieder zur Last gelegt. Doch was ist an diesem lokalen Identitätsverständnis eigentlich so schlimm? Oder: Was ist der Vorteil, wenn man nächstes Jahr in der „O2-World“ auf Puckjagd gehen darf? Wenn sich dann auf den vollen Tribünen statt der alten Fans eine eventorientierte, weil sonst reichlich gelangweilte Mittelschicht rumlümmelt. Darf man sich dann endlich als Gesamtberliner Verein fühlen, und wenn ja, was hat man davon?

Alle großen Sportvereine haben ihre Wurzeln in einem räumlich begrenzten Milieu. Immer mehr Klubs besinnen sich gerade jetzt wieder als eine Art Gegentrend zum durchglobalisierten Sportgeschäft ihrer Herkunft. Die Eisbären waren im alten Wellblechpalast ihrer Zeit also schon voraus, ohne dass sie es wussten. Jetzt verabschieden sie sich davon.

TORSTEN HASELBAUER