Gesundheitsapostel in Silikon

MENSCHENMUSEUM AM ALEX

Durch die Ausstellung ziehen sich Ermahnungen zu Fitness, Mäßigung und Gesundheitsbewusstsein

Um das neue Menschenmuseum am Alexanderplatz, das am Mittwoch eröffnet wurde, ist viel gestritten worden. Ist die Ausstellung der berühmten Plastinate von Gunther von Hagens wissenschaftlich – oder Effekthascherei? Ist es moralisch verwerflich, tote Menschen auf ewig in kopfstehende „Skateboardfahrer“ zu verwandeln und sie mit aufgeklapptem Musculus gluteus maximus (großem Gesäßmuskel) zu präsentieren – oder dient das der Aufklärung?

Neu sind diese Fragen nicht. Diskutiert wurden sie in jeder Stadt, die der Pathologe seit Mitte der Neunziger mit seinen plastinierten Körpern beehrte. Neu ist allerdings, dass die „Körperwelten“ in Berlin ihren Dauerwohnsitz nehmen. Wohl auch deshalb wurde mit solcher Vehemenz ums Für und Wider gerungen.

Mit der Debatte im Hinterkopf gerät der medizinisch interessierte Erstbesucher in der Ausstellung alsbald in einen Zwiespalt: Einerseits gibt es interessante Einzelheiten zu bestaunen, etwa die Perfektion eines achtwöchigen Embryos. Andererseits sind die Ganzkörperplastinate, sobald man sich vom ersten Schock erholt hat, erstaunlich banal. Der Gruseleffekt im Medizinhistorischen Museum der Charité mit seinen in Formalin eingelegten Missgeburten ist eindeutig stärker. Im Vergleich dazu sind die Plastinate grotesk-komisch, was an den unnatürlichen Körperhaltungen liegt sowie der unecht wirkenden Färbung.

Aber als schier unerträglich stellt sich überraschend etwas anderes heraus: der Duktus der Begleittexte. Durch die ganze Ausstellung ziehen sich Ermahnungen zu Fitness, Mäßigung und Gesundheitsbewusstsein, und das in einem Ton, der verdammt an die Broschüren der Krankenkassen erinnert. Danach muss man erst mal eine Zigarette rauchen. SUSANNE MEMARNIA