IM SPREEWALDBAD: Die rote Königin
Endlich mal wieder im Spreewaldbad. Die Sprüher gegen Fußpilz sind auf der Müllkippe der Geschichte verschwunden, das Wasser in den Becken ist aber wie immer von einem formschönen Blau. Und handwarm. Es lädt zu Monologen ein. Ich ziehe Bahnen, aber die Zeichnungen davon würde ich nicht sehen wollen. Es werden keine Geraden sein, es sind zu viele Krümmungen, bei all dem Verkehr. Obwohl, es ist sanfter als draußen auf der Straße. Die Schwimmer zeigen Schwarmintelligenz.
Ein Tag im Ruderboot, mit dem Ruderboot durch das formschöne Blau fahren, dachte ich, als ich mich kaputt an den Beckenrand setzte und kurzsichtig in das Blau blinzelte. Ich versuchte, die Körperformen der Frauen und Männer auszumachen. Ein Ruderboot im Schwimmbad und später die Fische aus den kleinen Whirlpools angeln. Jemand hatte Paul McCartneys Füße. Man kennt Paul McCartneys Füße von Plattencovern und Fotos. Sieht man Paul McCartneys Füße, hat das irgendetwas zu bedeuten, zum Beispiel, dass er eigentlich tot ist und barfuß über den Zebrastreifen auf dem Weg zu seiner eigenen Beerdigung läuft, während John Lennon ja eben Weiß trägt, was die indische oder japanische Farbe der Trauer ist, und ein VW Käfer Pauls Alter meldet. Während ich über das alles kurz nachdenke, langsamer als gewöhnlich, sind Pauls Füße in die Dusche verschwunden.
Hinter meinen chlorbedröhnten Augen bildeten sich weitere Tagträume. Mit der roten Königin Wasserball spielen, dachte ich. Wasserpolo, auf Seepferden. Wasserkrocket (also einen Ball mithilfe von Wasserspritzen durch einen Parcours steuern). In der künstlichen Welt. Die Sterne am Hallenhimmel. Als ich später auf dem Handtuch neben der Rothaarigen lag, der roten Königin, träumte mir von einer Blondine. Blondinen schmecken nicht, hatte A. einmal gesagt. Im Spreewaldbad bestimmt schon.
RENÉ HAMANN
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