Volk will Schule machen

Volksinitiative gestartet: Bei Erfolg soll 2012 die „Schule für alle“ kommen. Prominenteste Unterstützerin ist Ex-Schulsenatorin Rosie Raab. Gymnasien können ihren Namen behalten

Die Volksinitiative muss mit einigem Gegenwind rechnen. Einen Vorgeschmack gab gestern der CDU-Abgeordnete Robert Heinemann: Es sei Betrug, wenn sich „Einheitsschulen“ weiterhin Gymnasium nennen dürften. Man könne nicht ein Etikett lassen und den Inhalt verändern. „Einen Mercedes mit Ausstattung und Motor von Fiat“, fasste Heinemann zusammen, „kann man nicht mehr als Mercedes verkaufen!“  KAJ

VON KAIJA KUTTER

In Hamburg ist gestern eine Volksinitiative für ein neues Schulsystem gestartet worden: Ein Bündnis aus der Lehrergewerkschaft GEW, Schülerkammer, Elternverein, GAL und zahlreichen Sozialdemokraten – nicht allerdings der Partei insgesamt – begann am Abend in der Gesamtschule Winterhude mit dem Sammeln von Unterschriften. Am Ende soll nicht weniger als die Abschaffung des gegliederten Schulsystems stehen. Unterstützt wird die Initiative unter anderem von der früheren Schulsenatorin Rosemarie Raab (SPD), die ein Auftaktreferat hielt.

Für ihr „Gesetz zur Einführung der Gemeinschaftsschule“ müssen die Initiatoren bis zum 7. Januar 10.000 Unterschriften sammeln. Damit wird die Schulformdebatte in den Wahlkampf getragen, was all jene in der SPD nicht freut, die lieber ein Zwei-Säulen-Modell aus „Stadtteilschule“ und Gymnasium einführen wollen.

Wird diese erste Hürde genommen, müssen in den drei Wochen vor den Herbstferien des kommenden Jahres 61.000 Unterschriften zusammenkommen. Gelingt auch dies, wird über das Gesetz per Volksentscheid abgestimmt – parallel zur Europawahl 2009. Nötig sind dann mindestens 242.000 Ja-Stimmen.

„Wir wollen, dass Verwaltung und Schulen gründlich planen können“, sagte Mitinitiator Dietrich Lemke. Die Schulen bekämen zwei Jahre Zeit, um sich ein Profil zu geben. Die Einschulung in die neue Schule begänne deshalb erst 2012. Bis Klasse 10 sollen die Kinder dann gemeinsam lernen. Sind sie auf einer reinen Grundschule, wählen Eltern künftig nicht mehr die Schulform für ihr Kind, sondern den Standort. Eine spezielle Gymnasialempfehlung wird es nicht mehr geben, ebenso wenig wie Sitzenbleiben oder das Abschulen auf niedrigere Schulformen.

„Das Motto ist Förderung statt Ausgrenzung“, heißt es in einem Faltblatt zur Kampagne. Die neue Schule sei „leistungsfähiger“, „kindgerechter“, „zeitgemäßer“ – und „wirtschaftlich notwendig“. Ob die Kinder Noten- oder Berichtszeugnisse erhalten, soll die Schulkonferenz entscheiden. Auf Klasse 10 folgt wie bisher der Haupt- oder Realschulabschluss oder eine Gymnasiale Oberstufe.

Einen Disput hatte es um die Frage gegeben, ob Gymnasien auch weiterhin „Gymnasien“ heißen dürfen. Die Namensgebung wird Sache der Schulkonferenz. Theoretisch könnten auch alle Gemeinschaftsschulen „Gymnasium“ heißen. Alle Schulen dürften den Weg zum Abitur anbieten und selbst entscheiden, ob dies in zwölf oder 13 Jahren geschieht, wie Mitinitiator Bernd Viet erklärt. Da die Stunden nur umgeschichtet werden müssten, würde eine längere Schulzeit nicht teurer.

Allerdings wollen die Initiatoren die Ausstattung der Schulen insgesamt verbessert sehen. „Wir hoffen, dass über die Debatte um den Volksentscheid in der Stadt auch eine Bereitschaft entsteht, mehr Geld in den Schulbereich zu stecken“, sagt GEW-Chef Klaus Bullan, einer der drei Sprecher der Initiative. Für die wirbt neben Ex-Senatorin Neben Raab auch der Dekan der Uni-Erziehungswissenschaften, Karl-Dieter Schuck. Der Verein „Eine Schule für alle“ hat derzeit rund 100 Mitglieder, weitere Unterstützer werden gesucht.