Gegen das eigene Programm

Warum Koalieren zu absurden Situationen im Parlament führt

VON SVENJA BERGT

Der Tiefpunkt der vergangenen Legislaturperiode war im Mai dieses Jahres. Die Grünen wollten das Wahlalter für das Abgeordnetenhaus auf 16 senken und auch SPD und Linkspartei waren dafür. Zudem hatten ein fraktionsloser Abgeordneter und einzelne FDP-Abgeordnete angekündigt, dem Antrag der Grünen zuzustimmen. Die verfassungsändernde Mehrheit, die so ein Projekt braucht, wäre also da gewesen. Und was macht die SPD? Hat angeblich Angst vor einer Abstimmungsniederlage, zieht den Schwanz ein und stimmt einem Anliegen nicht zu, das sogar in ihrem Wahlprogramm stand.

Wie es so weit kommen konnte? Es ist das klassische Problem, das sich durch Koalitionsbildung ergibt. Die Regierung versichert sich gegenseitig, bei Abstimmungen im Gleichschritt zu marschieren, währenddessen gibt die Opposition aus Prinzip Contra. Dabei kommt es oft genug vor, dass beide Seiten gegen ihre eigentliche Überzeugung stimmen. Oder sich notfalls enthalten, wo sie eigentlich zustimmen wollten. Anschaulich zu sehen ist das zu Beginn jeder Legislaturperiode, wenn es traditionell einen Antrag zum Vorsitz im Hauptausschuss gibt. Je nachdem, ob sich die Parteien gerade in Regierung oder Opposition befinden, finden sie den Vorsitz bei der einen oder der anderen Seite besser aufgehoben.

Bezirke als Vorbild

Wie viel ehrlicher ist da die Praxis in vielen Bezirken. Keine Koalition, keine Opposition, je nach politischen Positionen können ganz unterschiedliche Parteien gleich abstimmen. Oder gemeinsam den Bürgermeister wählen. Das wäre doch auch mal ein Modell für das Abgeordnetenhaus.

Nicht nur, dass es wochenlange Koalitionsgespräche überflüssig machen könnte. Es würde auch dazu führen, dass endlich das Argument zählt und nicht die Partei.