Schuld sind immer die anderen

SCHLINGERKURS Keiner will den Castortransport nach Gorleben, aber absagen kann ihn auch niemand

Zwei Tage bevor Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) die Länder in Berlin zum Dialog über ein Gesetz zur Suche eines Atommüllendlagers empfängt, hat Niedersachsens Landtagsopposition in Hannover erneut eine Absage des Castortransports ins Zwischenlager Gorleben Ende November gefordert.

Den aktuellen Schlingerkurs der schwarz-gelben Landesregierung bezeichnete Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel in einer hitzigen Plenardebatte als „irrationale Entwicklung“: „Keiner will Gorleben – aber keiner von ihnen hebt die Hand gegen den nächsten Castortransport.“ In der Tat mehren sich auch bei CDU und FDP die Stimmen, die vom Salzstock Gorleben als möglichen Standort für ein Atommüllendlager abrücken: CDU-Fraktionschef Björn Thümler forderte jüngst wie zuvor schon Ministerpräsident David McAllister (CDU), Kriterium müsse die Rückholbarkeit des Mülls sein. Eine Einlagerung in Salz sei deshalb ungeeignet – was Gorleben als Endlager quasi ausschließt.

Und selbst Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) sorgte zu Wochenanfang mit der Aussage, der kommende Castortransport sei „politisch falsch“ und der Forderung nach einem „Castor-Moratorium“ für Aufsehen. In der Diskussion um die Endlagersuche „brauchen wir Ruhe und keine neuen Transporte“, zitiert ihn die Hannoversche Allgemeine Zeitung.

Diese Haltung bekräftigte Sander auch am Mittwoch: „Auch wir wollen die Transporte nicht“, sagte er vor dem Plenum. Derweil erteilte sein Ministerium dem Betreiber des Zwischenlagers Gorleben parallel zur Landtagsdebatte die angekündigte Zustimmung zur Einlagerung elf weiterer Castorbehälter auch offiziell. Trotz Warnungen vor Grenzwertüberschreitungen von Atomkraftgegnern wie auch vom landeseigenen Betrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz. Sander rechtfertigte das mit „völkerrechtlichen Verpflichtungen“, das Land sei „gar nicht in der Lage, Transporte zu unterbinden“. Genehmigungsbehörde sei das Bundesamt für Strahlenschutz (BFS), Niedersachsen genehmige nur die Einlagerung in Gorleben.

Das BFS dagegen betont, die Atomindustrie entscheide, wohin ihr strahlender Müll komme: Als Genehmigungsbehörde könne es lediglich eingereichte Anträge auf Zwischenlagerung prüfen – „ohne Ermessenspielraum“. Liegen alle erforderlichen Nachweise vor, bestehe Rechtsanspruch auf Genehmigung, erklärt ein BFS-Sprecher. Anträge für andere Zwischenlager als Gorleben seien rechtlich möglich – die Atomindustrie müsse sie nur stellen.

Ministerpräsident McAllister hat sich aus der jüngsten Castor-Debatte weitgehend rausgehalten. Noch im Juli hatte er angekündigt, der Transport Ende November sei der „auf absehbare Zeit letzte“ – und musste kurz darauf zurückrudern, weil bekannt wurde, dass ab 2014 weiterer Müll aus Frankreich und England erwartet wird. THA