Schill schießt gegen die CDU

Der frühere Innensenator Ronald Schill weist vor dem Untersuchungsausschuss Sozialsenatorin Schnieber-Jastram (CDU) die Schuld an den Missständen im Kinderknast Feuerbergstraße zu

VON SVEN MICHAEL VEIT

Mit heftigen Vorwürfen gegen Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) begann Hamburgs einstiger Innensenator Ronald Schill gestern Abend seine Aussage vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Feuerbergstraße. Bei der Einrichtung des geschlossenen Heimes für jugendliche Straftäter im Dezember 2002 habe er sich auf seine Senatskollegin Schnieber-Jastram „verlassen und wurde dabei sehr enttäuscht“. Er habe diese „Maßnahme der Inneren Sicherheit“ bei der Sozialsenatorin „in guten Händen geglaubt“, behauptete Schill gestern. „Aber sie schuf kein geschlossenes Heim, sondern ein Haus der offenen Tür.“

Damit erfüllte Schill zumindest teilweise die Hoffnung der rot-grünen Opposition, der 2003 von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) entlassene Rechtspopulist werde die Verantwortung für Skandale und Missstände in dem Ohlsdorfer Kinderknast dem damaligen Koalitionspartner CDU anlasten.

Obwohl die Beweisaufnahme eigentlich schon abgeschlossen war, trat der Ausschuss gestern eigens für die Vernehmung Schills zu einer Sondersitzung im Tagungssaal des Architekturzentrums am Stephansplatz zusammen. Die üblichen Tagungsräume im Rathaus waren bereits seit längerem von drei weiteren Ausschüssen der Bürgerschaft belegt.

Der 48-jährige einstige „Amtsrichter Gnadenlos“, von Oktober 2001 bis August 2003 Zweiter Bürgermeister und Innensenator in der Koalition mit CDU und FDP, war vor zwei Wochen aus seinem selbst verordneten „Exil“ in Brasilien nach Deutschland gereist – nach eigenen Angaben, um seinen abgelaufenen Reisepass erneuern zu lassen. Frühere Versuche, Schill zu einer Zeugenaussage vor den Ausschuss zu laden, waren daran gescheitert, dass sein genauer Wohnsitz unbekannt war. Seit Jahren lebt er in Rio de Janeiro (taz berichtete).

Schills Soloauftritt in dem bis auf den letzten Platz gefüllten Sitzungssaal begann mit einem mehrminütigen Blitzlichtgewitter Dutzender Fotografen und Kamerateams aus ganz Deutschland, die sich gewöhnlich nicht in die Niederungen Hamburger Kommunalpolitik begeben. Erst nach mehrfacher energischer Intervention des Ausschussvorsitzenden Manfred Jäger (CDU) – „Keine Interviews. Das ist nicht zulässig. Bitte lassen Sie den Zeugen zum Zeugenstuhl durch.“ – konnte die Vernehmung mit viertelstündiger Verspätung beginnen.

In seinen einleitenden Worten betonte Schill mehrfach, dass er „Schnieber-Jastram unter Druck gesetzt“ habe, ein geschlossenes Heim „für 100 bis 150 jugendliche Gewalttäter“ einzurichten. Die Sozialsenatorin aber habe in ihrer „von Sozis durchsetzten Behörde lau baden“ wollen, so Schill. Deshalb habe er den Bürgermeister eingeschaltet: „Ich habe Ole gesagt, er soll Schnieber-Jastram maßregeln.“

Die Vernehmung dauerte bei Redaktionsschluss noch an.