Linke Kandidaten-Hatz

Am Wochenende stellt Niedersachsens Linkspartei ihre Liste für die Landtagswahl auf. Zu erwarten sind Kampfkandidaturen: Mindestens 51 Bewerber rangeln um die Parlamentsplätze

von KAI SCHÖNEBERG

„Karrieregeilheit“ war ihr vorgeworfen worden, als sie im Sommer mit vier weiteren Jung-Genossen und viel Medientamtam ihr SPD-Parteibuch zerriss und in die Partei Die Linke eintrat. Doch Jannine Hamilton, bis zum vergangenen Jahr Juso-Landeschefin in Niedersachsen, interessiert sich zurzeit mehr für ihr Studium als für das Weiterkommen in der neuen Partei. Zudem hindert sie ihre britischer Pass daran, auf der Linken-Liste für die Landtagswahl im Januar zu kandidieren: „Die Tatsache, dass wir alle fünf dort nicht erscheinen, spricht doch für sich“, sagt die 29-Jährige aus Laatzen, die viele Linke gerne als Kandidatin gesehen hätten.

Bereut hat Hamilton den Übertritt bislang nicht, und auch der derzeitige Links-Schwenk der SPD juckt sie wenig. Sie hat immer noch genug von Agenda 2010, Kriegsbeteiligungen und der Politik der Sachzwänge: „Vielleicht hätten sie früher drauf achten müssen, dass nicht so viele Leute weglaufen.“

Auch ohne die SPD-Abtrünnige wird es auf dem Listenparteitag der Linken am Samstag in Hannover schon eng genug. „Die Kandidatendichte pro Platz ist groß“, sagt Sprecherin Maren Kaminski. 205 Delegierte dürfen zwischen mittlerweile 51 Kandidaten für den Landtag wählen. Mit sieben bis acht Abgeordneten rechnet Parteichef Diether Dehm, falls seine Partei am 27. Januar über die Fünf-Prozent-Hürde springt. Vor den Bewerbern um die ersten zehn Plätze will er vor der Versammlung noch besänftigende Worte sprechen, damit das Hauen und Stechen um die aussichtsreichen Plätze nicht gar zu groß wird.

Dass das Wunder gelingt, am 27. Januar in den ersten Landtag eines westdeutschen Flächenlandes einzuziehen, erscheint inzwischen gar nicht mehr so unwahrscheinlich: Erstmals taxierten Demoskopen die Linken jüngst bei einer Umfrage bei den magischen fünf Prozent. Dabei hat sich die Niedersachsen-Linke bislang weder inhaltlich noch personell im Land besonders bekannt gemacht. Thematisch soll es im Wahlkampf um gebührenfreie Bildung, Rekommunalisierung und Soziales gehen, Gregor Gysi und Oskar Lafontaine wollen im Januar persönlich in Niedersachsen auf Tour gehen. Das einzige halbwegs bekannte eigene Zugpferd der Linken im Land, der Liedermacher und Unternehmer Dehm selbst, geht nicht in die Kandidaten-Hatz in Hannover: Der gebürtige Hesse will lieber sein Bundestagsmandat behalten: Das nämlich ist sicher.

Halbwegs sicher sieht auch die Spitzenkandidatur von Tina Flauger aus. Die 41-jährige IT-Spezialistin aus Wildeshausen (Kreis Oldenburg) ist WASG-Gewächs, Ko-Landesvorsitzende und bislang ohne Widersacherin. Schon um Platz Zwei muss sich dann der von Dehm favorisierte Oldenburger Ratsherr Hans-Henning Adler mit dem Peiner Betriebsrat Manfred Sohn streiten. Eine laut Parteisprecherin Kaminski besonders „starke Streuung“ gibt es um den Männern vorbehaltenen Listenplatz sechs: Hier seien Kampfkandidaturen mit bis zu 15 Bewerbern zu erwarten.

Wahrscheinlich wird Die Linke diesmal in allen 87 Wahlkreisen einen Direktkandidaten aufstellen können. „Es wird keine schwarzen Flecken mehr auf der Landkarte geben“, sagt Kaminski – und verspricht einen „spannenden Parteitag“. Bei all den Unabwägbarkeiten ist eines aber sehr wahrscheinlich: Am Ende wird die „Internationale“ gesungen.