Keine Rast für das Böse

Seit 27 Jahren wettert die „New Model Army“ laut und unermüdlich gegen gesellschaftliche Missstände. Am Mittwoch geht es der Ungerechtigkeit mit dem zehnten Studioalbum „High“ in der Markthalle an den Kragen

Der Kampf gegen die Ungerechtigkeit in der Welt ist noch nicht gewonnen. Auch dreizehn Jahre, nachdem meine MitschülerInnen im Kreis tanzend und „We are the 51st state of america“ singend das bestandene Abi gefeiert haben, nicht. Damals, Mitte der 90er, hatte jede sich für einigermaßen kritisch Haltende mindestens ein Album der kämpferischen britischen Band „New Model Army“ im Schrank stehen; und wenn „Stupid Questions“, „White Coats“ oder „Vagabonds“ auf den Plattenteller geworfen wurde, übte sich die jeweils versammelte Gemeinde in der wechselseitigen Versicherung widerständigen Minimalkonsenses per Mitsingen und Sich-Antanzen. Bei der „New Model Army“ konnte jeder sich als halbwegs proletarisiert Verstehende irgendwie mitmachen. Da brauchte es schon, wie im Falle unseres obersten SchülerInnen-Vertreters, eine mehr oder weniger gut kopierte „Ghost of Cain“-Lederjacke, um noch Distinktionsgewinne verzeichnen zu können.

Oder diese merkwürdigen, an Mittelalter-Märkte erinnernden Stahl-Holz-Leder-Schuh-Ungetüme, in die die der mittlerweile fünfköpfigen britischen Band geradezu religiös nacheifernde Hardcore-Gefolgschaft die Füße kleidete und die sich auf einem NMA-Konzert immer dann im eigenen Gesicht befanden, wenn der eingefleischte Fan diese nicht minder merkwürdigen Arm-Tänze auf des Konzertbegleiters Schultern veranstaltete. In diesem Punkt stehen die Kult-Indierocker, die ganze Generationen von Folkrockern, Politpunks, New Wavern und Metallern maßgeblich geprägt haben, dem namengebenden Parlamentsheer übrigens in nichts nach. Auch in der historischen, psalmensingend in den Kampf ziehenden „Armee nach neuem Muster“ des englischen Bürgerkriegs war das Verhältnis zwischen den Bibel studierenden und diskutierenden Mannschaften und den puritanisch-missionierenden Offizieren geradezu religiös. Das steigerte damals die Kampfmoral. Heute geschieht das natürlich durch unverblümtes Androhen der Verbrennung aller „heiligen Bücher“.

Und wie gesagt, der Kampf ist noch lange nicht vorbei. Für „New Model Army“-Fans ist das allerdings nicht ohne Abstriche eine schlechte Nachricht. Schließlich muss man sich so zumindest keine Sorgen um das Wohlbefinden von Bandgründer und „Frontmann“ Justin Sullivan machen. Denn der fühlt sich besser, „wenn ich etwas tun kann. Das Kämpfen hält mich am Leben“. Das ist eben nach 27 Jahren Anklage und Aufrütteln mit der Stromklampfe in der Hand nicht anders geworden.

Und so wird auch auf dem nunmehr zehnten Studio-Album „High“, das im Sommer ohne Majorunterstützung auf dem eigenen Label „Attack Attack“ erschienen ist, aufmüpfig und kämpferisch wie lange nicht mehr den Unterprivilegierten agitatorisch unter die Arme gegriffen. Produziert hat das Album Chris Kimsey, der sich während seiner Arbeit u. a. für die „Rolling Stones“ in den Klang der verzerrten Gitarre verliebt hat. Dementsprechend im Vordergrund steht das Instrument nun. „High“ ist aber nicht nur gitarrenlastiger als etwa der ungeliebte Vorgänger „Carnival“. Als ein sehr wütendes Werk habe es sich zudem herausgestellt, sagt Sullivan. Wütend, aber auf eine melodiöse Weise. Und selbst die wütenden Sachen seien paradoxerweise „relativ heiter“. Na dann, no pasarán! ROBERT MATTHIES

Mi, 7. 11., 21 Uhr, Markthalle, Klosterwall 11