General auf Abruf

In Niedersachsens Justiz ist Frank Lüttig nicht irgendwer. Der 55-Jährige leitet in Celle die mit Abstand größte Generalstaatsanwaltschaft des Landes. Der sind mehr als 1.000 Staatsanwälte unterstellt – darunter auch die in der Landeshauptstadt Hannover. Der in Osterode am Harz geborene Lüttig war damit so etwas wie der Chefermittler in den Verfahren gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff und den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy.

Beide Fälle sind noch immer aufsehenerregend – auch wegen Lüttig. Denn ausgerechnet der einflussreiche Generalstaatsanwalt könnte Details der Korruptionsvorwürfe gegen Wulff und des Kinderpornografie-Verfahrens gegen Edathy an Journalisten weitergegeben haben.

Zwar gilt auch für den Vater zweier Kinder die Unschuldsvermutung. Allerdings hat Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) dem Landtag mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft Göttingen Ermittlungen gegen den Juristen führt – wegen des „Verrats von Dienstgeheimnissen“. Darauf stehen bis zu fünf Jahre Haft.

Trotzdem klingen die Vorwürfe für viele plausibel. Bei den Grünen wird über die Suspendierung, bei der SPD über disziplinarische Konsequenzen gegen Lüttig nachgedacht. Verwunderlich ist das nicht: der ehemalige Richter, der Ministerin Niewisch-Lennartz direkt unterstellt ist, gilt als Gewächs ihres CDU-Vorgängers Bernd Busemann. Und der ist als innerparteilicher Intimfeind von Wulff bekannt. Busemann hat Lüttig vom Referatsleiter für Strafrecht im Justizministerium zum Generalstaatsanwalt befördert – möglicherweise habe sich Lüttig bei Busemann mit schlechten Nachrichten über Wulff revanchieren wollen, wird in Hannover spekuliert.

Unklar ist bisher, wie es mit Lüttig weitergeht. Der FDP-Abgeordnete Stefan Birkner fordert, den Juristen bis zur Klärung der Vorwürfe ins Ministerium zurückzuversetzen. Dort aber gibt man sich einsilbig: „Die Prüfung der disziplinarrechtlichen Fragen dauert an.“  WYP