Die Übermorgenstadt macht sich bereit

In zwei Jahren will das niedersächsische Oldenburg „Stadt der Wissenschaft“ werden. Jetzt feierte man schon mal, die Bewerbung überhaupt eingereicht zu haben. Derweil bemängeln die ersten Kritiker Eventgetöse und Konzept-Niveau

Sekt, Orangensaft und jede Menge Canapés: Mit gut 120 Gästen hat Oberbürgermeister Gerd Schwandner die Abgabe der Oldenburger Bewerbung für den Wettbewerb „Stadt der Wissenschaft 2009“ gefeiert. Mit „Wir-sind-schon-fast-Sieger“-euphorisierten Redebeiträgen und einer eher hausbackenen Power-Point-Präsentation des Kurzkonzeptes fiel die Party am vergangenen Freitag vergleichsweise bieder aus, was diverse Mitglieder des Stadtrates versöhnlich gestimmt haben dürfte. Hatten sie Schwandner doch dafür kritisiert, schon jetzt zur Sause zu laden, obwohl man gerade mal am Anfang des Entscheidungsprozesses steht.

Unter Vorsitz des Präsidenten der Bremer Jacobs University, Joachim Treusch, wird die Jury in einem zweistufigen Auswahlverfahren erst im März 2008 über die Stadt entscheiden, die den vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zum fünften und letzten Mal ausgelobten Titel und 250.000 Euro Preisgeld zugesprochen bekommt. Neben Oldenburg bewerben sich Kaiserslautern, Rostock, Konstanz, Lübeck und Heidelberg. Waren bei der ersten Vergabe des Titels noch 36 Städte ins Rennen gegangen, sank die Teilnehmerzahl im vergangenen Jahr auf zwei Bewerber.

Die „Stadt der Wissenschaft“, so die Idee, soll ihr Potenzial als Wissenschaftsstandort präsentieren, Bildungseinrichtungen, Stadt und Bevölkerung miteinander in Kontakt bringen und demonstrieren, wie sie Wissenschaft für die Stadtentwicklung nutzbar macht. Die Oldenburger Bewerbung für 2009 steht unter dem Schlagwort „Übermorgenstadt“. Schwandner begründet diesen in die Zukunft gerichteten Slogan mit einem Zitat des Regisseurs und Komikers Woody Allens. Der soll gesagt haben: „Ich denke viel an die Zukunft, weil das der Ort ist, an dem ich den Rest meines Lebens zubringen werde.“ Das klingt originell. Ob allerdings auch die Oldenburger Kurz-Bewerbung durch Originalität, Esprit und vielleicht gar Ernsthaftigkeit besticht?

Unter vier Überschriften sollen 16 Projekte angeboten werden, in denen sich die Stadt im Übermorgen präsentieren will. Dabei geht es etwa um die Frage nach der „Energie für Übermorgen“ und die Grenzen des heutigen Wissens. Oder als legendäre Wissenschaftler verkleidete Schauspieler stellen dar, worauf aktuelle Forschungsleistungen fußen.

Wiederholt unterstrichen der Bürgermeister wie auch der Präsident der Oldenburger Carl-von-Ossietzky-Universität, Uwe Schneidewind, während der Feier die breite Beteiligung aller Oldenburger an dem Bewerbungsprozess: So seien Titel und Programm „von unten entwickelt“ worden, und „eine ganze Stadt habe sich beteiligt“, behaupteten die beiden. Tragendes Gerüst bei der Themenfindung seien jene „Ideenschmieden“ gewesen, in denen Kulturschaffende, Unternehmer und Wissenschaftler über ein tragfähiges Konzept nachdachten. Dass sich die breite Bevölkerung zwar durch Plakate in den Straßen und Aktionstage in der Fußgängerzone begeistern lassen sollte, dies aber tatsächlich kaum tat, könnte ein Schwachpunkt der Bewerbung sein.

Im Umfeld der Feier wurde nun aber auch deutliche Kritik an den genannten „Ideenschmieden“ laut: Ein Teilnehmer wunderte sich gegenüber der taz über das „niedrige Niveau“ dieser Abende, an denen kaum eine wirklich begeisternde Idee entwickelt worden sei. Es sei nett gewesen, sich mal mit Leuten aus anderen Bereichen zu treffen, mehr aber auch nicht. Ein anderer Ideenschmied hatte ein fertiges Konzept ausgetüftelt, nun beklagt er, darauf nicht mal eine Reaktion bekommen zu haben. Bei der ganzen Bewerbung gehe es nur darum, „Wissenschaft als Event zu inszenieren“, mutmaßt er. Dass eine solche „PR-Aktion die Wissenschaft in Oldenburg tatsächlich weiterbringt“, bezweifelt er.

Jetzt hat der Stifterverband in Essen das Wort. Am 12. Dezember wird die Jury, zu der auch Bremens ehemaliger Bürgermeister Henning Scherf gehört, zwei Kandidaten zur Endrunde bitten.FELIX ZIMMERMANN