sarah bsc
: Siege werden völlig überschätzt

Fußball lebt hauptsächlich vom Ergebnis, das ist schon klar. Und Hertha ist aus dem Rennen um den Pokal geflogen, auch so viel ist klar. Schön war es wirklich nicht, das Spiel gegen Wuppertal, ja, es war peinlich. Blöd gelaufen.

Viel blöder noch finde ich allerdings die Reaktionen der selbstgefälligen Fans, die in verschiedenen großen Berliner Tageszeitungen und Internetforen während der vergangenen Woche zu Wort kommen durften. Da lässt in altbekannter Art und Weise das „Volk“, in unserem Fall also der „Fan“, seinen einfachen Gedanken freien Lauf und faselt von Ungerechtigkeiten à la: „Solange diese sogenannten Profis mehr verdienen als ein Arzt oder Professor, gehe ich nicht mehr zu Hertha“, und „Simunic muss man das Gehalt kürzen“, und „Wie lange will Hertha uns eigentlich noch veräppeln?“

Blablabla, genau dieses Geblubber hört man vom Berliner zu jedem „Ärgernis“, ob es um den Hauptbahnhof, die Parkzonenbewirtschaftung oder die schlechten Schrippen der Bäcker geht: alle zocken uns ab. Manno, ey! Voll gemein ist das! Wobei „uns“ immer der Mob ist und der hat schon aus Prinzip recht.

Glauben diese Fans tatsächlich, dass sie sich mit den Kauf einer Dauerkarte oder ihren 30-Euro-Busreisen zu Auswärtsspielen so etwas wie ein Recht auf Hertha-Siege erkaufen? So wie man eine Prostituierte dafür bezahlt, dass sie einem Vergnügen bereitet? Dann ist Hertha also die Nutte der Fans. Und zurzeit bringt sie es nicht mehr so richtig und braucht ein paar Ohrfeigen, damit sie wieder wie ein braves Pferdchen läuft? Die Fans sind doch öde wie die Spieler. Wenn man schon Anhänger einer mittelmäßigen Mannschaft ist, sollte man besser dazu stehen, ja es vielleicht sogar großartig finden, dass Hertha es gar nicht für notwendig hält, sich an dem albernen Pokalquatsch zu beteiligen.

Spaß hätte man auf alle Fälle mehr, wenn man nicht so sehr dem Siegeswillen huldigen würde, sondern das Versagen auf dem Platz als Verdienst ansehen würde. Dann würde man als glücklicher Verlierer vom Platz gehen, die anderen Vereine auslachen, weil die immer noch so doofe Streber sind. So mach ich es. Und wenn Hertha dann doch überraschend gewinnt, freue ich mich mehr als diese ewigen Nörgel-Nerds. SARAH SCHMIDT