VORFRÜHLINGSSTREUNER
: Erste Hilfe, zu spät

Seine Worte verhallen, der Impresario telefoniert

„Kann ich Ihnen helfen?“ Der alte Herr verneint. Mühsam kratzt er ein 2-Cent-Stück vom Parkettboden des Neuköllner Cafés in der Pflügerstraße ab.

Dann erhebt er sich, er versucht es würdevoll. Mann lässt sich nicht von Frau helfen. Vielleicht liegt es aber auch einfach am Altersunterschied. Er verschwindet im Webpelz durch die dunkle, abgeblätterte Eingangstür.

Nach einer sehr heißen Zitrone mit sehr viel Honig: Herumstreunen am Ufer des Landwehrkanals. Stehen bleiben. Sonne verteilt sich bei geschlossenen Augen großzügig im Gesicht. Der Winter in Berlin – im März greift er – wetten, dass? – zum ersten Mal dieses Jahr hart durch. Deshalb: Sonne, Sonne satt, jetzt, bitte, bitte.

Augen wieder öffnen, blinzeln, eine Bettlerin mit einem Kopf wie ein Vögelchen, völlig ausgemergelt, joggt regelrecht an einem vorbei. Im Lauf streckt sie den linken Arm für ein Almosen hin. So perplex ist man, dass man beide Hände hebt, als wäre man unbewaffnet. Was ja auch stimmt.

Auf einer Bank am Kanal in der Sonne sitzen ein Impresario und sein Clown, vielleicht sind sie ja in Wahrheit beide Fliesenleger. Der Clown sagt zu seinem Impresario: „Weißt du, ich hatte immer diesen Paycheck, und jetzt ist er nicht mehr da, das fehlt schon …“

Seine Worte verhallen, der Impresario telefoniert und blickt dabei durch den Clown, der jetzt weniger Geld hat als früher. Als der Impresario fertig ist und dem Clown mitteilt, dass seine eigene Frau noch beim Shoppen am Kurfürstendamm weile und auch sehr froh sei, dass sie nicht mehr so viel arbeiten müsse, blickt der Clown durch den Impresario.

Auf dem Wasser, ein paar Schritte von der Bank, gleiten Schwäne vorüber. Viele, viele graubeige Gefiederte, noch nicht lange sind sie dabei.

HARRIET WOLFF