Widerstand im eigenen Lager

GRIECHENLAND Nach der Einigung mit der Eurogruppe wird Ministerpräsident Tsipras in der eigenen Partei kritisiert und beweist realpolitische Tugenden

„Gemessen werden wir an unserer Fähigkeit, zu regieren“

ALEXIS TSIPRAS

AUS ATHEN JANNIS PAPADIMITRIOU

Das hatte es lange nicht mehr gegeben: Sechs Stunden dauerte die nichtöffentliche Sitzung der Linksfraktion am Mittwoch, in der Premier Tsipras Rede und Antwort stand, um den Deal zu rechtfertigen, den seine Regierung mit den Geldgebern der Eurozone vereinbart hatte. Vorbei sind die Zeiten, da Syriza-Fraktionssitzungen als Wahlkampfreden inszeniert und live übertragen wurden. Seit der jüngsten Einigung über eine viermonatige Verlängerung des aktuellen Sparprogramms wird die Parteispitze der Athener Linken mit zunehmendem Widerstand aus den eigenen Reihen konfrontiert. Die offizielle Sprachregelung suggeriert freilich keine Kehrtwende in der Politik. Aus Sicht der Parteiführung wird gar nicht das Sparprogramm, sondern die „Kreditvereinbarung“ verlängert. Darunter soll dann wohl verstanden werden, dass keine neuen Sparauflagen fällig wären. Doch die Zweifler melden sich immer lauter zu Wort.

Am lautesten wurde bisher der 92-jährige EU-Parlamentarier der Linkspartei Manolis Glezos. Glezos ist einer der Veteranen des Widerstands gegen die deutsche Besatzung und genießt quasi die Unantastbarkeit einer politischen Heldenfigur. In einer schriftlichen Mitteilung beschuldigte er am Montag seine Partei, ihr Wahlprogramm verraten zu haben, und bat die Griechen um Entschuldigung für seine „Mitwirkung an der Schaffung dieser Illusion“. Daraufhin verlangte Kostas Lapavitsas, Wirtschaftsexperte und Befürworter einer Rückkehr zur Drachme, eine Debatte in den Parteigremien.

Und auch der Sänger und Dichter Mikis Theodorakis, Galionsfigur der Linksbewegung, meldete sich kritisch zu Wort. Parteichef Tsipras besuchte Theodorakis daraufhin demonstrativ in seinem Haus und gab vor laufenden Kameras folgenden Tipp, der wohl nicht nur an den Gastgeber gerichtet war: „Du bist doch ein alter Kämpfer, Mikis. Und als solcher weißt du, dass mitten im Kampf auch die eine oder andere taktische Finte nötig ist.“

War die Einigung mit den Kreditgebern also nur eine Finte? Davon ist Panagiotis Lafazanis, Energieminister und Anführer des linken Parteiflügels, nicht überzeugt – dem Vernehmen nach. Nach übereinstimmenden Medienberichten besteht Lafazanis weiterhin auf die Umsetzung der Syriza-Wahlversprechen. „Im Energiebereich wird es jedenfalls keine Privatisierungen geben“, stellte er schon mal in einem Interview klar. Tsipras bleibt derzeit nichts anderes übrig, als an den politischen Instinkt seiner Leute zu appellieren: „Gemessen werden wir nicht nur an unserer Fähigkeit, zu verhandeln, sondern auch an der Fähigkeit, zu regieren“, mahnte er in der jüngsten Sitzung der Parlamentsfraktion.