DIE WERBEPAUSE
: Husten? Heroin!

Das Leben im beginnenden 20. Jahrhundert war einfach: Multiple Sklerose, Asthma, Magenkrebs, Darmkoliken bei Säuglingen – alles war heilbar.

Zumindest, wenn man den Anzeigen glaubte, die der deutsche Pharmakonzern Bayer 1912 in spanischen Zeitungen lancierte: Auf kürzlich wieder aufgetauchten Plakaten flößen Hausfrauen ihren Kindern reihenweise ein Zaubermittel ein. Bayer hatte dafür einen einprägsamen Namen: Heroin. Zwar hatten Ärzte bereits kurz nach der Einführung des Mittels 1898 auf dessen hohes Suchtpotenzial hingewiesen. Dennoch startete Bayer eine internationale Werbekampagne. Kritiker wollte man laut dem damaligen Prokuristen der Firma, Carl Duisberg, „mundtot schlagen“. Der Versand von zahlreichen Gratisproben an Ärzte und das Beauftragen von wohlwollenden Gutachten über Heroin zahlten sich aus: Das Produkt war schon bald in aller Munde und wurde in 20 Länder exportiert. Weil der Wirkstoff des Mittels oral eingenommen nur langsam ins Gehirn gelangte, war Heroinsucht in Europa lange unbekannt. In den 1920ern spritzten und rauchten Suchtkranke dann vermehrt Heroin als Ersatz für Morphin oder Opium. Bedarf und Beschaffungskriminalität stiegen, es entstand ein Schwarzmarkt, von dem auch Hersteller wie Bayer profitierten, bevor die industrielle Heroinproduktion eingeschränkt wurde und in den 1930er Jahren ganz verebbte.

Heroin war nicht der einzige Verkaufsschlager, mit dem Bayer 1898 den Grundstein dafür legte, dass aus der Farbenfabrik ein Weltkonzern wurde: Noch heute verkauft sich das damals eingeführte Aspirin sehr gut. DRÖ