Schweinefuß und Lammnüsschen

LECKER Zwei neue Bücher befassen sich mit der norddeutschen Küche: Zum einen Hamburger Klassiker wie „Braden un Fleesch“, die jeder nachkochen kann, zum anderen schleswig-holsteinische Gourmetküche wie „Kalbstafelspitz und Pulpo“ – da wird’s schon etwas schwieriger

Dass in die „Aalsuppe“ gerade keiner dieser länglichen Fische gehört, das ist so die Art von Schnack, die Hamburgbesucher gerne mitnehmen, wohin sie zurückkehren. Wer’s nicht ganz genau weiß, erfährt solche mehr oder minder lebensnotwendigen Details beim Lesen der „Hamburger Küche“: Zwischen den Buchdeckeln im stilsicheren 50er-Jahre-Design finden sich neben teils behutsam modernisierten Elbanrainer-Rezepten immer wieder auch Warenkunde oder Kuriosa eingeschoben.

Ob’s daran liegt, dass Autor Thomas Sampl selbst ein Zugereister ist, nämlich Ostwestfale? Mehr vielleicht daran, dass die„Hamburger Küche“ neben dem Koch- wohl auch ein Mitbring- und Verschenkbuch sein soll; Fettflecken von der selbstgemachten Mehlschwitze nähme der Einband sicher übel.

Teils vergessene Klassiker

Von „Vörspiesen“ über „Fisch und Seedeerten“ und „Braden un Fleesch“ bis „Snoopkram“: 51 teils vergessene Klassiker sind da zusammengetragen worden, erklärtermaßen übersetzt für „heutige Essgewohnheiten“ und „neue Kochtechniken“. Aber eben auch nicht völlig begradigt: Wenn da „Snuten un Poten“ (als Sülze) aufgeführt werden, sind dafür eben weiterhin Schweinebacken, -pfoten und -schnauze vonnöten – ganz wie einst im Couplet der Gebrüder Wolf aus dem frühen 20. Jahrhundert; waren ja auch Schlachtersprösslinge aus der Hamburger Neustadt.

Davon nicht weit entfernt, in der Speicherstadt, hat Sampl seinen eigentlichen Herd stehen: Er ist Chefkoch im Restaurant „Vlet“, und von dessen Menü-Philosophie – betont hochwertige, regionale Zutaten, abwechslungsreicher Umgang mit traditionellen Gerichten, plattdeutsche Begrifflichkeiten – ist wiederum die „Hamburger Küche“ nicht weit entfernt; ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Und nachkochen lässt sich das, was Sampl da zusammengetragen hat, auch von weniger Routinierten.

Das ist schon ein wenig schwieriger bei „Schleswig-Holstein kocht“, dem ersten Norddeutschland-Ausflug der „Edition Gourmetreise“ aus dem Grazer Rolling-Pin-Verlag. Analog zu früheren Bänden, die sich anderen Regionen widmeten, versucht es das nördlichste deutsche Bundesland kulinarisch zu umreißen, indem zwölf Spitzenköche zwölf Menüs – insgesamt 36 Rezepte – vorstellen.

Gehobene Menüs von zwischen den Meeren

Aber damit nicht genug: Zum erklärt „etwas anderen Kochbuch“ wird der Band, weil die Zuträger sich für den Fotografen auch noch selbst in Szene setzen. Da posiert der Sylter Holger Bodendorf – „Rebell mit Grund“ überschrieben – folgerichtig auf einer Harley-Davidson. André Schneider vom Glücksburger Restaurant Felix – nicht als einziger übrigens, wir sind ja in Norddeutschland – stellt sich derweil in mutmaßlich fischreiche Gewässer, mitsamt Wathose, Angelrute und – ein wenig irritierend – einer Büchse Billig-Sardinen von Edeka.

Ganz und gar nicht billig ist aber, was die Herren – auch so ein Ding: Es scheint keine Spitzenköchinnen zu geben zwischen den Meeren – nun genau kreieren: Neben Holsteiner Reh oder Salzwiesenlamm kommt da schon mal US-amerikanische Wagyu-Rinderschulter auf den Teller. Es ist durchaus gehobene Gastronomie, in der sich die Beteiligten ansonsten verdingen, und nicht zuletzt werden all diese Mutterhäuser, die Maritim-Hotels und Fischerklausen im Buch en passant auch gleich mit belobhudelt.

Wenn es um den unmittelbaren Nutzwert geht, gewinnt die „Hamburger Küche“ durch ihren alltagstauglicheren Inhalt und mehr Service-Anteil. Das schmuckere Buch für den Kaffeetisch mag dagegen der Spitzenköche-Parcours aus Schleswig-Holstein sein, aber das ist natürlich Geschmackssache. Für die österreichischen Herausgeber soll „Schleswig-Holstein …“ übrigens nicht der letzte Ausflug in den deutschen Norden gewesen sein: Für später in diesem Jahr ist ein Band „Hamburg kocht“ angekündigt.  ALDI

■ Thomas Sampl, Nicole Keller: „Hamburger Küche“. Junius-Verlag 2014, 120 S., 19,90 Euro ■ Stephanie Fuchs, Helge O. Sommer (Fotos): „Schleswig-Holstein kocht“. Gourmetreise Verlag/Rolling Pin Media 2014, 146 S., 29,90 Euro