Eltern wollen Strafanzeige stellen

JUSTIZ Nach den Morden an zwei Jugendlichen in Bodenfelde erwägen die Eltern eines der Opfer, gegen die Justiz vorzugehen. Denn diese hätte den späteren Mörder in Sicherungshaft nehmen müssen

„Die Verbrechen hätten möglicherweise verhindert werden können“

Steffen Hörning, Anwalt

Ein Jahr nach den Morden an den Jugendlichen Nina und Tobias in Bodenfelde (Kreis Northeim) erwägen die Eltern des Jungen rechtliche Schritte gegen die Justiz. Er prüfe eine Strafanzeige gegen Verantwortliche des Landgerichts Stade und der Staatsanwaltschaft Lüneburg, sagte der Anwalt der Eltern, Steffen Hörning, am Dienstag in Göttingen.

Die Northeimer Polizei habe einige Tage vor den Morden darauf gedrungen, Jan O. in Sicherungshaft zu nehmen, nachdem er diverse Straftaten begangen und wiederholt gegen Bewährungsauflagen verstoßen hatte. Die Justizbehörden in Lüneburg und Stade, in deren Zuständigkeitsbereich Jan O. wegen früherer Straftaten verurteilt worden war, hätten jedoch nicht gehandelt. Der 27-Jährige hatte am 15. November 2010 die 14 Jahre alte Nina und am 20. November den 13-jährigen Tobias ermordet. Diese Verbrechen hätten möglicherweise verhindert werden können, sagte Hörning.

Das Landgericht Göttingen hatte Jan O. im Juni dieses Jahres zu lebenslanger Haft, Unterbringung in der Psychiatrie und Sicherungsverwahrung verurteilt. Angesichts der Handlungen des Angeklagten an den Opfern hatte der Vorsitzende Richter von einer „unvorstellbar erscheinenden Dimension des Unrechts“ gesprochen. Die Richter bescheinigten dem Täter wegen seiner kannibalistischen und vampiristischen Gelüste eine extreme Gefährlichkeit.

Anwalt Hörning zufolge hat Jan O. vor den Morden ständig gegen Bewährungsauflagen verstoßen, Alkohol und Drogen konsumiert sowie eine Reihe von Straftaten begangen. Unter anderem soll er mehrere Feuer gelegt haben. Anders als damals von der Polizei gefordert, hatten die Justizbehörden, die keine Anhaltspunkte für eine Gefährlichkeit des Mannes gesehen hatten, entschieden, den 27-Jährigen nicht in Sicherungshaft zu nehmen, sondern ihn in eine Entzugseinrichtung zu schicken. Bevor es dazu kommen konnte, tötete er die Jugendlichen. (dpa)