„Wir bieten Schulungen in Sachen Homophobie“

INTEGRATION Diskriminierende Beleidigungen hört man nicht nur auf dem Sportplatz, betont Bernd Schultz, Chef des Berliner Fußball-Verbands. Allerdings machten sich manche Vereine den Umgang damit immer noch zu leicht. Er fordert Trainer und Schiedsrichter auf, genau hinzusehen und hinzuhören

■ 57, ist seit den Jahr 2004 Präsident des Berliner Fußball-Verbands (BFV). Er ist zugleich Mitglied im Verein BFC Alemannia 1890 in Reinickendorf.

INTERVIEW JENS UTHOFF

taz: Herr Schultz, der Berliner Fußball-Verband (BFV) macht sich nach außen immer sehr für Integration aller gesellschaftlicher Gruppen stark. Welche Vereine sind in dieser Hinsicht zurzeit Vorreiter?

Bernd Schultz: Wir führen da ja keine Rankings, wer jetzt wie viele Aktionen macht. Integration sollte Grundsatz eines jeden Vereins sein. Wir verstehen das als gesellschaftspolitische Aufgabe und verlangen das von jedem Klub. Aber wir gucken nicht, wer nun zum Beispiel einen besonders hohen Anteil an Migranten im Klub hat – da würde man zum Beispiel dem FV Wannsee Unrecht tun; dort gibt es dieses Klientel nicht, während in Neukölln die Vereine da sicher anders aufgestellt sind.

Würden Sie Türkiyemspor mit seiner Geschichte besonders hervorheben als Beispiel dafür, was möglich ist im Berliner Fußball? Und wie sehen Sie den Klub in dieser Hinsicht heute?

Türkiyemspor war immer sehr engagiert in vielen gesellschaftlichen Gebieten. Ich weiß, dass Türkiyem vor einigen Jahren bei den Respect Gaymes sehr stark involviert war. Es ist ein Klub, der über die Grenzen Berlins hinaus Aufmerksamkeit erzeugt hat. Das Engagement hängt aber immer von handelnden Personen ab. Eine Zeitlang haben sie sich mehr zu allen gesellschaftlichen Fragen geäußert, das war eine Entscheidung des damaligen Präsidiums.

Nun hat Türkiyem als erster Klub den Lesben- und Schwulenverband (LSVD) als Sponsor und zuletzt soll es ausgerechnet dort homophobe Vorbehalte gegeben haben. Ist der Kampf gegen Homophobie im Berliner Fußball derzeit besonders wichtig?

Von Verbandsseite aus ist das zurzeit ein Schwerpunkt. Wir haben selbst eine Kooperation mit dem LSVD. Wenn bei einzelnen Fällen die Zusammenarbeit mit dem LSVD – aus welchen Gründen auch immer – nicht so gut funktioniert, kann man es nicht erzwingen. Der BFV bietet Schulungen in Sachen Homophobie an, für einzelne Personen haben wir ein anonymes Postfach eingerichtet …

mit dem sie seit nun vier Jahren ein Beratungsangebot für Spieler und Vereinsmitglieder geschaffen haben, die von Diskriminierung betroffen sind. Wie häufig wird das genutzt?

Es wird regelmäßig genutzt, und wir versuchen den Leuten zu helfen.

Warum hat man es eigentlich gerade auf Fußballplätzen noch so viel mit diskriminierenden Beleidigungen zu tun?

Ich glaube nicht, dass die nur im Fußball in dieser Form zur Sprache kommen, sondern in Schulen etwa genauso. Wir reden ja auch von manchmal etwa 1.500 Spielen an einem einzigen Wochenende – wenn Sie dann mal zwei oder drei Vorfälle haben, sind das zwar immer noch zu viele, aber irgendwo äußern sich nun mal die gesellschaftlichen Probleme, die wir haben. Es mag aber durchaus sein, dass es im Tennis oder im Hockey nicht so ist. Wir sind nun mal der Breitensport Nummer eins und bieten Sport für alle sozialen Schichten an.

Was unternehmen Sie denn in den einzelnen Fällen?

Wie etwa im Fall von TuS Makkabi damals [im Jahr 2012 gab es beim Spiel BSV Hürtürkel gegen TuS Makkabi eine Reihe antisemitischer Beschimpfungen auf dem Platz, d. Red.] kümmern wir uns darum, dass die Verantwortlichen bestraft werden und Spiel- und Platzsperren bekommen. Alle Vorfälle gehen in die Sportrechtsinstanzen und werden da geahndet.

Im Fußball werden Ausdrücke wie „schwule Sau“ oder „Kanake“ immer noch gern überhört. Werden die Schiedsrichter inzwischen angewiesen, diese Ausdrücke noch mehr zu dokumentieren?

„Wir kümmern uns darum, dass die Verantwortlichen bestraft werden und Spiel- und Platzsperren bekommen“

Es war immer schon ein Vergehen, und es bleibt ein Vergehen – es sollte früher und soll heute bestraft werden. Solche Sachen sind grundsätzlich nicht zu dulden auf Plätzen. Es gilt für Trainer, Betreuer und Vereinsvorstände genauso, hinzusehen und hinzuhören.

Sind die Vereine, bei denen es oft wenige bis keine hauptamtlichen Mitarbeiter gibt, überfordert mit den Problemen?

Ich weiß nicht, ob man das Überforderung nennen kann. Es ist manchmal vielleicht auch Bequemlichkeit. Gesellschaftliches Engagement hat nichts mit Haupt- oder Ehrenamtlichkeit zu tun. Ich erwarte von jedem, der im Verein ein Amt inne hat, dass er es auch entsprechend ausfüllt.

Gibt es generell noch zu wenig Einmischung?

Engagement und Einmischung ist immer erwünscht – auf dem Gebiet kann nie genug passieren. Weghören ist leichter als handeln.