Preise für Bären und Frau Huppert

FESTIVAL Das Internationale Filmfest Braunschweig feierte sechs Tage lang sein 25. Jubiläum mit 180 Filmen und 25.000 Zuschauern. Isabelle Huppert war eine Erscheinung, der Gewinnerfilm handelte von Bären

VON WILFRIED HIPPEN

Als krönenden Abschluss beehrte ein Weltstar das Filmfest mit ihrem Besuch. So muss man es einfach sagen, denn Isabelle Huppert war so distanziert anwesend, dass sich das Festival zwar mit ihrer Präsenz schmücken konnte, sie aber dennoch gar nicht richtig da zu sein schien. Dass sie bei der Pressekonferenz alle eine Stunde warten ließ, wurde huldvoll weder von ihr noch von den Journalisten mit einem Wort erwähnt. Auch dass die zum Teil extra angereisten Fotografen keine einzige Aufnahme von ihr machen durften, wurde ohne Protest geschluckt. Sie war da und das war gut. Ihre frei gehaltene Dankesrede war in ihrer lässigen Eleganz dann auch eindeutig der Höhepunkt der von der RTL-Ansagerin Ulrike von der Groeben eher holprig als souverän moderierten Gala im Braunschweiger Staatstheater. Frühere Preisträger hatten entweder wie John Hurt und Stellan Skarsgârd mit der von ihnen zugelassenen Nähe und Offenheit begeistert oder man konnte über ihr divenhaftes Auftreten lästern wie etwa bei Bruno Ganz, der einen möglichst kurzen Auftritt verlangte, weil er einen Krimi im Fernsehen nicht verpassen wollte. An Isabelle Huppert wird man sich dagegen wie an eine Erscheinung erinnern, die das Festival mit ihrem kurzen Besuch adelte.

Und das hat es ja auch verdient. Das 25. Jahr wurde an sechs Tagen gefeiert, mit 180 Filmen war diese Ausgabe ein wenig größer als die vorherigen. Aber ansonsten wurde nicht zu sehr auf dem Jubiläum herumgeritten und stattdessen wieder ein solides Festival auf die Beine gestellt. Die Kinos waren mit 70 % Auslastung so voll wie auf kaum einem anderen regionalen Festival.

Auch mit ihren Gästen und Preisträgern hatte das Festival in diesem Jahr Glück. Während zum Schwerpunkt „Musik und Film“ in den letzten Jahren renommierte Filmkomponisten wie Carl Davis und Shigeru Umebayashi zu Konzerten und Workshops eingeladen wurden, fiel die Wahl diesmal auf ein Duo von in New York lebenden Engländern, die noch am Beginn ihrer Karriere als Filmmusiker stehen. Will Bates und Phil Mossman haben unter dem Namen „Fall on Your Sword“ erst im letzten Jahr begonnen, für Filmprojekte zu arbeiten. Ihr zweites Projekt „Another Earth“ ist gerade in den deutschen Kinos angelaufen. Die beiden arbeiten viel mit elektronischen Klängen, aber auch mit einer weiten Palette von akustischen Tonträgern. Und wie sie die passenden Töne für eine bestimmte Filmsequenz finden, demonstrierten sie in einem Workshop, von dem man in Braunschweig noch lange reden wird. Mit viel britischem Witz und Bühnenpräsenz zeigten sie zuerst einige von ihnen vertonte Werbespots und eine Parodie auf William Shatner, die auf Youtube Kultstatus erreicht hat. Danach demonstrierten sie am Beispiel einer Sequenz aus „Another Earth“, wie viele verschiedene Elemente (von Rückkopplungen bis Solo-Cello) sie für ihre Musik arrangierten. Schließlich zeigten sie noch anhand eines eigens dafür am Vortag im Hotel gedrehten Kurzfilms, wie schnell und einfallsreich man einen Soundtrack produzieren kann. Mit in Braunschweiger Läden gekauften Plastik-Instrumenten spielte eine Handvoll von Freiwilligen aus dem Publikum live zur Vorführung diese unter den Umständen erstaunlich effektive Filmmusik ein. Mehr kann man in einer Stunde kaum über Filmmusik lernen – und in kaum einem Film des Festivals wurde soviel gelacht.

Doch zumindest der Gewinner des Publikumspreises „Heinrich“ hat einen ähnlich hohen Humor-Quotienten. Der spanische Film mit dem internationalen Titel „What are Bears for?“ gewann diesen mit 10.000 Euro dotierten Preis für europäische Debut- und Zweitfilme mit Abstand. Geraldine Chaplin spielt in dieser Komödie die Ziehmutter von zwei Brüdern, die beide ihr Leben der Wissenschaft und der Ökologie gewidmet haben. Der eine schreibt Bestseller über den drohenden Untergang der Erde und ist dennoch in seinem Innersten erschüttert, als er im Eis der Antarktis ein keimendes Bäumchen entdeckt. Der andere wartet in einem Baumhaus im spanischen Asturien seit Jahren auf die Wiederkehr der dort einst beheimateten Bären. Beide sind skurrile Eiferer und der Regisseur Tom Fernández erzählt mit zärtlichem Spott von ihren Macken sowie davon, wie ein paar Frauen ihre wissenschaftlichen Methoden gründlich durcheinanderbringen. Das ist so einfallsreich, liebevoll und witzig inszeniert, dass diese Öko-Komödie auch in deutschen Programmkinos Erfolg haben dürfte. Und da die Hälfte des Preisgeldes eine Förderung des hiesigen Verleihs ist, sind die Chancen dafür gar nicht schlecht. So wirkt das Filmfest Braunschweig nachhaltig im besten Sinne des Wortes.