Annäherung durch Wandel

Manche Musik scheint in der dauerhaften Selbstbefragung so etwas wie ihren Modus Vivendi zu finden. Die Erzeugnisse des mittelständischen Unternehmens Rolling Stones aus den vergangenen Dekaden mögen eher nicht dazu gehören, dafür gibt es viele einschlägige Beispiele quer durch die Genres vom Rock bis zur Clubmusik.

Um bei Letzterer zu bleiben: Dubstep ist so ein Fall. Seit seinem Entstehen um die Jahrtausendwende, als diese in London entstandene Tanzmusik als merkwürdiges Zwitterding aus flatterhaftem Drum ’n’ Bass, bass- und hallgewaltigem Dub Reggae und England-typischen hektischen Fortentwicklungen von House Music erst einmal für Akzeptanz außerhalb ihrer Szene sorgen musste, hat sie sich ständig weiterentwickelt, in neue Richtungen geöffnet, bestimmte Routinen begonnen, und als diese zu Klischees zu werden drohten, noch einmal alles über den Haufen geschmissen. Zumindest taten das die Vertreter dieser Richtung, denen es mit ihrer Musik ernst war. Wie Steve Goodman alias Kode9 mit seinem Label Hyperdub, der sich plötzlich mehr für Gameboysounds als für tiefe Frequenzen zu interessieren begann.

Oder Paul Rose alias Scuba, Chef von Hotflush Recordings, der sich besonders um die Schnittstelle zwischen Dubstep, House und Techno bemüht. Einige der spannendsten Platten am Rande des Genres sind dort erschienen, die meisten, wobei längst nicht alle, aus England.

Eine wichtige Ausnahme bildet das Duo Sepalcure aus New York. Die beiden Produzenten Travis Stewart und Praveen Sharma haben bisher all ihre gemeinsamen Platten bei Hotflush veröffentlicht. Das waren nur eine Handvoll Maxis, doch die waren ausnahmslos unwiderstehliche Verbindungen von nervöser „Bassmusik“, wie Dubstep und die Folgen auch gern genannt werden, und House Music oder anderen Einflüssen.

Wie auf ihrem ersten Album, das dieser Tage bei ihrem Stammlabel erscheint, deutlich wird, haben die beiden Amerikaner einen genuin nordamerikanischen Zugang zu Dubstep gefunden, in dem die rasend schnelle Footwork-Musik aus Chicago eine entscheidende Rolle spielt. Diese Richtung ist allerdings kein Dubstep-Derivat, sondern aus Chicago House und Hip Hop entstanden. Dass die transkontinentale Verständigung in diesem Punkt so gut funktioniert, bedeutet zwar nicht gleich, dass sich hier ein großer Kreis schließt, zeigt aber, auf welch unterschiedlichen Wegen man zu sehr ähnlichen Lösungen kommen kann. TIM CASPAR BOEHME

■ Sepalcure: „Sepalcure“ (Hotflush Recordings/Alive), live: S. K. Robinson, Samstag, 24 Uhr