WWF: Behörden reden Ölpest klein

Nach der Havarie der „Duncan Island“ sind an den Stränden der Nordsee mehrere hundert tote Seevögel gefunden worden. Wattenrat und WWF kritisieren angebliche Vertuschungsstrategie der Behörden

Wie viele Trauerenten, Tordalken, Trottellummen oder Möwen genau durch das Öl umgekommen sind, das aus einem vor der Nordseeinsel Terschelling havarierten Bananenfrachter stammen könnte, wusste auch am Freitag niemand zu sagen. Neben vielen Bananenstauden sind laut Deutschem Tierschutzbund inzwischen auch mehrere hundert tote Seevögel an die Ufer von ostfriesischen Inseln und Festland geschwemmt. Die Sturmflut in der Nordsee verhinderte genaue Schätzungen sowie die Reinigungsarbeiten, teilte das zuständige Havariekommando in Cuxhaven mit. Überlebende Tiere sollten in speziellen Stationen aufgepäppelt werden.

Die 166 Meter lange „Duncan Island“ hatte auf dem Weg von Antwerpen nach Hamburg am Dienstag bei schwerer See neun Container verloren und war Leck geschlagen. 90 der 170 geladenen Tonnen Öl wurden dabei offenbar verloren. Auf Juist, Baltrum, Langeoog und Norderney waren bereits am Mittwoch kleinere Ölmengen gefunden worden. Am Donnerstag wurden auch auf Wangerooge Ölklumpen am Strand entdeckt.

Am Freitagabend stand noch nicht fest, ob das unter Bahamas-Flagge fahrende Schiff oder andere Fahrzeuge Verursacher der Ölverschmutzungen sind. Die Ergebnisse einer chemischen Analyse lagen noch nicht vor. Dass die nach dem Unfall gefundenen Ölspuren „in keiner Weise besorgniserregend sind“, wie es eine Sprecherin des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) am Donnerstag formuliert hatte, rief bei Naturschützern Proteste hervor. Der Wattenrat warf dem NLWKN vor, bei Ölunfällen „eine sehr restriktive Informationspolitik zu betreiben, um den Tourismus an der Küste nicht zu gefährden“. Einen Tag später musste das NLWKN seine Aussagen korrigieren: „Wir rechnen damit, dass uns dies noch die nächsten Tage beschäftigen wird“, sagte die Sprecherin des Landesbetriebs. Für die Vogelwelt sei die Ölverschmutzung natürlich eine Katastrophe, von einer Ölpest könne jedoch keine Rede sein.

Das sieht die Umweltstiftung WWF anders: Sie spricht bereits jetzt von einer „kleinen Ölpest“. Die Havarie der „Duncan Island“ sei das größte Unglück in der Nordsee, seitdem der brennende Holzfrachter „Pallas“ 1998 rund 100 Tonnen Schweröl verloren hat. „Eine geringe Menge Schweröl kann erstaunlich viele Vögel umbringen, weil es ihr Gefieder verklebt“, sagt der Leiter des WWF-Wattenmeerbüros in Husum, Hans-Ulrich Rösner. Bei dem Unfall vor der Nordseeinsel Amrum waren seinerzeit mindestens 16.000 Seevögel gestorben.

Auch er sieht die Tendenz zum Vertuschen. „Es ist eine leider viel zu oft geübte Praxis, Vorfälle auf See kleinzureden, um Touristen nicht abzuschrecken“, erklärt Rösner. Behörden und Inseln sollten künftig offener mit den Unfällen umgehen. Und dafür streiten, „dass die Ursachen solcher Umweltschäden bekämpft werden müssen“. Dazu gehört für Rösner ein Verbot von Schweröl für Schiffsantriebe.KAI SCHÖNEBERG