Berlin Zionskirchplatz

Wenn das E kommt

Das E kam hart. Wir waren Gummibälle, wir fühlten uns schaumig und betreten. Nach dem vielen nächtlichen Reden setzte plötzlich Schweigen ein, neben uns saßen weiß gekleidete Chinesinnen mit Schoßrechnern und Sonnenbrillen vor einem Sushi-Restaurant. Es war ein einverstandenes Schweigen. Ein ohne Worte ausgehandeltes. Das Schweigen blieb, bis es zahlen und aufstehen musste. Mit Salzkrusten auf dem Hemd. Im Mund eine riesenhafte, verstärkte Zunge, im Kopf unordentliche Bilder, blaue und grüne Blasen. In uns Wasser, literweise. Wir schauten uns um, stumm und wild. Die Chinesen verschwanden im Fußbadcafé.

Das harte Runterkommen. Der Trick ist Ablenkung, meinte Loretta. Und weiter tief durchatmen. Mir wurde die Welt schwarz, über Nacht war es Herbst, dann Winter geworden, so fühlte es sich an. In den Hauseingängen lungerten Ausgebombte herum. Ärzte drohten mit Erschießungen. Der Zionskirchplatz lag unter Feuer. Da war eine Party, da kamen wir her, da hatten wir es genommen. Eine Beretta fiel von einem Regal herunter. Die Waffe war entspannt. Ein Schuss löste sich. „Schütze kündigte Tat auf Hauswänden an“, hieß es von einer eisglatten Stimme im Radio. Das war die Sprache der Nachrichten, die uns virtuell erschien, eine unverständliche Kunstsprache, obwohl wir wussten, dass sie etwas Konkretes, für uns aber Abwesendes bezeichnete.

Eine der Chinesinnen hatte uns Fotos von Schwimmbecken gezeigt. Schöne Bilder von ruhigen, glatten, durchschaubaren Wasseroberflächen, in die Chromtreppen führten. Jetzt saßen wir an der Tramhaltestelle. Als die Tram einfuhr, waren wir fast wieder nüchtern. Die Tramtüren öffneten sich, die Brände waren gelöscht. RENÉ HAMANN