HAMBURGER SZENE VON PETRA SCHELLEN
: Ampelverhalten

Manchmal ist man ja ein echter Spießer. Auch ich, die ich stolz bin auf meine Renitenz, bleibe in der Einöde an einer roter Ampel stehen, wenn ein Kind am Horizont weilt. Könnte ja was Falsches abschauen, der Nachwuchs, und ich wäre dann schuld. Obwohl man natürlich auch argumentieren kann, dass das Kind nur dann Rückgrat lernt, wenn es stehen bleibt, obwohl die Erwachsenen rübergehen.

Fakt ist jedenfalls, dass eine Altonaer Ampel neulich genau dieses Schauspiel bot: Eine Mutter, ihr Kind und ein dynamischer Jüngling näherten sich einer roten Ampel. Ein stiller Sonntag war’s, Autos kamen keine. Dennoch, ich stoppte beflissen. Aber statt es mir Edelmenschin gleich zu tun, überquerte der junge Unbekannte zügig die Straße. Das Kind zögerte kurz, blieb dann aber stehen. „Nu komm schon“, rief die Mutter, „ist doch alles frei!“ „Nein, ist Rot“, sagte das Kind. „Los jetzt!“, wütete die Mutter. „Nö“, konterte das Kind.

Nun weiß ich nicht, ob Einsicht oder Trotz des Kindes Beweggrund war. Tatsache ist, es ließ uns alle alt aussehen. Wahrscheinlich sind die Kinder uns überlegen. Und lachen sich ins Fäustchen über unseren selbstreferenziellen Vorbild-Wahn. Und lassen uns gutmütig gewähren.