LANGSTRECKENIMPROVISATION MIT EINEM GITARRENGROSSMEISTER UND KOMMUNIKATION MIT DEM TISCHTELEFON BEI EINER LIEDERMACHERGALA
: Entspannungsbäder im Jammertal

VON THOMAS MAUCH

Eine der keineswegs zu unterschätzenden Herausforderungen beim hiesigen Konzertbetrieb ist ja die Frage, wann man nun sein Heim (wo doch im Zweifelsfall auch ein bequemes Sofa steht) verlassen soll, um dann „rechtzeitig“ bei der gewünschten Abendveranstaltung einzulaufen.

Am Freitag spielte Fred Frith im Maschinenhaus der Kulturbrauerei. Den darf man schon als einen gitarristischen Großmeister bezeichnen. Der nun bestimmt nicht die allerbequemste Sofamusik macht, sondern gern auch so komische experimentale Verrenkungen an seinem Instrument, denen man dann – zur Beförderung seiner Konzentration – ganz gern im Sitzen zugehört hätte.

Als man aber knapp nach 8 Uhr, dem angesetzten Konzertbeginn, im Maschinenhaus einlief, ging es dort tatsächlich auch gleich los. Die vor der Bühne aufgestellten Stuhlreihen waren allerdings längst besetzt, und dahinter drängte sich bei dieser Zweiklassengesellschaft das Publikum einigermaßen eng und ungemütlich. Stehend. In diesem Zusammenhang war es dann doch schade, dass Frith und seine beiden noch recht jungen Mitstreiter keine wirklich hinterntretende Musik ausspielten, die Frith durchaus auch im Portfolio hätte. Kaum etwas war es also an dem Abend mit einem freigeistigen Rock mit Wucht und Schmackes, bei dem man schon gern auf den Füßen ist. Dafür hörte man eine mal eher mittelprächtige Langstreckenimprovisation, in der die unterschiedlichsten Klanglandschaften durchmessen wurden von einem nervösen No-Wave-Rock bis hin zu einem melodienvergnügten Schönklang, als sei die Musik gerade einem Entspannungsbad entstiegen. Was wiederum eine Erfahrung war, die einem nun wirklich kaum einmal bei einem Improkonzert beschert wird.

Und weil man nun aus Erfahrung klug zu werden meinte, stand man am Folgeabend um 8 gleich mal vor einer noch verschlossenen Tür und hatte damit reichlich Zeit, festzustellen, dass die gastronomische Versorgungslage in der Chausseestraße schon sehr okay ist. Als dann endlich Einlass war im Ballhaus Berlin, ging es dort mit der Am-Start-Songwriter-Gala natürlich noch lange nicht los. Sitzplätze gab es sowieso reichlich. Und noch mal etwas Zeit, sich erst mal mit dem anregenden Plüschambiente des Ballhauses vertraut zu machen und vor allem den Old-School-Tischtelefonen dort, die der Conferencier des Abends seltsamerweise nicht eigens als eine „überlebende Kommunikationstechnik“ erwähnte. Dabei war das Thema der Gala doch mit dem Stichwort „Überlebende“ ausgegeben. Womit letztlich nur gemeint war, dass halt alle – das Publikum und die Auftretenden – ja irgendwie noch im Leben stehen würden.

Wichtigstes Überlebensmittel an dem Abend waren dann die Gitarrensäcke, aus denen die Lieder gepackt wurden, verhuschte und auch weniger verhuschte. Von Musikern, die sich zum Beispiel unbedingt so seltsame Namen wie Le Horror Me geben wollten.

Es war jedenfalls abwechslungsreich genug und amüsant, manchmal klingelte das Tischtelefon zur kommunikativen Verbandelung durch den Saal, überhaupt war alles sehr familiär und einander zugeneigt. Besonders schön der Auftritt von Christiane Rösinger, die gleich mal erklärte, „mit einem traurigen Lied“ anzufangen, und das andere Lied hatte dann den hübschen Refrain: „Es ist alles so sinnlos“. Einen unbedingt frohgemut stimmende Jammertallieder also, bei denen sich übrigens auch Kollege Malte Göbel als ein sich schön an die Musik schmiegender und in ihr wiegender Gitarrist präsentierte.

An einem Sonntag aber muss ja keiner raus aus dem Haus. Da gibt es das bequeme Sofaprogramm, immer pünktlich knapp nach 8. Diesmal war’s ein pfiffiger „Polizeiruf“ aus Rostock.