LESERINNENBRIEFE
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Nennen wir es Pegidien

■ betr.: „Pegida fälscht besser“, taz vom 23. 2. 15

Die Kombination zweier Wahrheiten kann nur zu noch mehr Wahrheit führen. Wenn also „der Islam zu Deutschland gehört“ (Merkel), aber „nicht zu Sachsen“ (Tillich), müssen wir ganz nüchtern feststellen, dass Sachsen nicht zu Deutschland gehört. Nennen wir es Pegidien. Was für einer ist der Pegide an sich? Was bedeuten seine so oft vorgetragenen Lebenskonzepte wie „genug ist genug“, „jetzt reicht’s“ usw., welche uns zum Nachdenken anregen? Fast hätten wir bei unserer ethnologischen Betrachtung schon dazu geneigt, dem Pegiden eine geradezu postmoderne Genügsamkeit zuzuschreiben, da irritiert uns die taz-Meldung: Pegida fälscht besser. Das macht ihn ja wieder beinahe ein bisschen menschlich. Ob es sich beim Homo Pegidensis doch um eine wohl leider stinknormale Erscheinung handelt? HANS-HELMUTH MEYNER, Reinbek

Europas geistiger Rückbau

■ betr.: „Hilfen, die nicht helfen“, taz vom 27. 2. 15

Könnte mir vorstellen, dass auch die griechische Bevölkerung dem ausgewogenen Kommentar von Klaus Hillenbrand zustimmen würde, und zwar in vollem Umfang. Denn wie die meisten der bisher „geleisteten“ Hilfen gegenüber (und nicht für) Griechenland wird die nächste ebenso bei weitem zu kurz greifen.

Yanis Varoufakis’ Analyse des griechisch-europäischen Dramas, dass Europa schlechtem Geld gutes hinterherwirft, dass die Doktrin der reinen Austeritätspolitik den wirtschaftlichen und sozialen Existenzkampf respektive Niedergang seines Landes nur verschlimmert, war bei seinem Antritt als neuer Finanzminister der Hellenen und seinem Werben für ein neues Unterstützungsprogramm gewiss nicht falsch. Dass Brüssel und insbesondere die deutsche Regierung die in der Tat zeitweise übertrieben undiplomatische Rhetorik und schrille Forderungsintonation aus Athen verstimmt (hat), ist hingegen nachvollziehbar.

Nach wie vor nicht nachvollziehbar ist jedoch, dass man den Grundsatz eines solidarischen und humanen Europas „links“ liegen lässt. Was sich bei dieser fortgesetzten Art von Krisenbekämpfung immer deutlicher abzeichnet, ist mitnichten die Umsetzung der europäischen Idee und Wertigkeit, sondern der geistige (und tatsächliche?!) Rückbau unseres heimatlichen Hauses Europa. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich erneut an den eindringlichen Leserbrief von taz-Mitleserin Olga Tsitiridou aus München („Nebel verscherbeln“, taz vom 21. 2. 15), die sehr allegorisch und melancholisch den Ist-Zustand Griechenlands im heutigen Europa auf den Punkt beschrieben hat. IRA BARTSCH, Lichtenau-Herbram

Nicht resignieren

■ betr.: „Die internationale Gemeinschaft versagt“, „Wer die Macht hat, foltert“, taz vom 25. 2. 15

Die Lage der Menschenrechte ist katastrophal, aber Amnesty muss auf internationaler Ebene nicht resignieren, wie man dem Kommentar von Bernd Pickert entnehmen könnte. So hilflos gegenüber den „Mächtigen“ (USA u. a.) ist unser Staat BRD nämlich nicht, er muss nur durch öffentlichen Druck zu mehr Einsatz für die Menschenrechte auf allen Politikfeldern gezwungen werden. Zum Beispiel hat AI im zitierten Bericht zur „Routine-Folter“ in Nigeria auf die deutsch-nigerianische Energiepartnerschaft hingewiesen und auf die deutsche Unterstützung des Landes bei Fragen der Sicherheit. Beide Felder bieten zentrale Angelpunkte, um die Menschenrechte in Nigeria zu befördern. Amnesty: „Deutschland darf sich nicht zum Komplizen von Folterern machen!“ Entsprechendes gilt auch im Verhältnis zu den mächtigen USA (Stichwort Guantánamo) und den anderen Mächten.

Natürlich braucht es innenpolitisch eine schwierige offene Diskussion, um ökonomische Interessen zugunsten der Gefolterten, der Geknechteten, der Verschwundenen oder Vertriebenen in aller Welt zurückzustellen. Dazu müssen die Menschenrechtler an das Mitgefühl und die Solidarität der Mitmenschen, der Parteien und der Regierung appellieren. Und wir haben immerhin einen eigenen „Menschenrechtsbeauftragten“ der Bundesregierung, der auf allen Politikfeldern auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten hat! HENNING VON HOERNER, Hannover

Fußball im Advent

■ betr.: „Jeden Tag ein Tür – äh Törchen“, taz vom 25. 2. 15

Stell dir vor, es ist Fußball-WM im Advent und keiner geht und guckt hin. Dann dürfte in der Werbebranche aber ordentlich der (Weihnachts-)Baum brennen. Und in so mancher Familie wird Feuer unterm Dach sein, weil man sich auf kein geeignetes Fernsehprogramm zur gemeinsamen Einstimmung auf das christliche Hochfest einigen kann.

Aber den Fifa-Funktionären möchte ich beim schlechtesten Willen nicht Blasphemie vorwerfen. Sondern ihre, geprägt und domestiziert von der Blatter’schen Doktrin der reinen Geld- und Machtgier, (zu)sehenden Auges wohlgefällige Akzeptanz und Unterstützung eskalierender Nichteinhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten, nichts anderes also als die Versklavung von Menschen. Und es ist die opportune Veräußerung von jenen geistigen und moralischen Werten, auf die sich die Vertreter der westlichen Welt ansonsten allzu gerne berufen. Wer jedoch ernsthaft der Meinung ist, gerade bei dem „völkerverbindenden“ Fußball ließe sich jedwede politische und gesellschaftliche Verantwortung ausklammern, offenbart ein fahrlässig schlichtes Gemüt. MATTHIAS BARTSCH, Lichtenau-Herbram