Hertha stolpert zum Sieg

Späte Rettung im Winterkick: In der 87. Minute erzielt Lima den Siegtreffer für die Berliner gegen die zuletzt erfolgsverwöhnten Hannoveraner. Es war das erste Tor des Brasilianers für die Hertha. Das Team sehnt sich sichtlich nach der Winterpause

HerthaHannover 1:0 (0:0)

Tor: Lima (87.)

Schonungslose Analyse I: „Es war sehr eng“ – Hertha-Coach Lucien Favre

Schonungslose Analyse II: „Er war noch nicht ganz bei uns angekommen. Ich hoffe, dass ihm das Tor hilft“ – Manager Hoeneß über Lima

VON JOHANNES KOPP

Fußballtrainer müssen eine Menge ungeschriebener Gesetze beachten: „Never change a winnig team“, Elfmeter sollen nie von den gefoulten Spielern selbst geschossen werden. Oder: Der Pokal hat seine eigenen (ebenfalls ungeschriebenen) Gesetze. Eine bislang noch nicht in eine Formel gegossene Verhaltensregel lautet: Nach schlechten Leistungen dürfen mögliche Ursachen zwar angeführt werden, sie sollen aber tunlichst nicht kausal mit der jämmerlichen Darbietung verknüpft werden. Empfohlene Standardanmerkung: „Das soll aber keine Entschuldigung sein.“

Ein Beispiel gefällig? Hannovers Trainer Dieter Hecking bilanzierte am Samstag nach der 0:1-Niederlage in Berlin: „In der ersten Halbzeit haben wir kein Fußballspiel gesehen. Dies lag sicherlich an der Witterung. Das soll aber keine Entschuldigung sein.“ Eine Stunde vor Anpfiff hatte der unversehens eingebrochene Winter die Spielfläche in Weiß getaucht. Im Schneetreiben schienen sich anfangs die komplett in Weiß gekleideten Hannoveraner in aller Konsequenz zu bemühen, nicht aufzufallen. Warum die Niedersachsen in der zweiten Hälfte doch Fußball spielten, wusste Hecking nicht zu erklären. Und Lucien Favre, der Berliner Coach, konnte keinen Aufschluss darüber geben, weshalb sein Team, das 45 Minuten lang das Geschehen dominierte, im Verlaufe der Partie die Lust am Wintersport verlor.

Bereits nach vier Minuten hätte Hertha in Führung gehen können. Einen Schuss von Gilberto klatschte Torwart Robert Enke nur ins Feld zurück, Lukasz Piszcek passte ins Sturmzentrum auf Marko Pantelic, aber auch er konnte Enke nicht überwinden.

Hannover hingegen machte erst spät von der Möglichkeit Gebrauch, aufs Tor zu schießen. Dreimal insgesamt. Die Versuche von Sergio Pinto in der 54. und 57. Minute waren am gefährlichsten. Hertha-Keeper Jaroslav Drobny musste sich beide Male arg strecken, um Schlimmeres zu verhindern. Danach schien die Partie allerdings unweigerlich einem 0:0 entgegenzusteuern. Die nur 34.000 Zuschauer drohten aufgrund der Ereignisleere und des steten Blicks auf die weiße Fläche schon wegzudämmern, als sie Lima in der 80. Minute mit einem Abseitstor aufschreckte. So erlebte das Publikum sieben Minuten später bei vollem Bewusstsein seinen zweiten Abseitstreffer. Malik Fathi hatte geflankt. Doch dieses Mal erkannte der Schiedsrichter den irregulären Treffer an.

So hat die Partie doch noch ihren Schneekönig gefunden. Einen südamerikanischen dazu. Ende August kam Lima als brasilianischer Torschützenkönig nach Berlin. Was von ihm erwartet wurde, war klar. Doch Lima traf nicht. Die letzten drei Bundesligaspiele saß er sogar auf der Bank. Gegen Hannover wurde er nur eingewechselt, weil Pantelic sich eine Zerrung zuzog. Umso glücklicher war Lima über seinen ersten so wichtigen Treffer. Er muss sehr gelitten haben. Den Journalisten erklärte er: „Ich verstehe, weshalb ich anfangs sehr kritisiert wurde, aber ich bin auch nur ein Mensch.“

Hertha hatte das glücklichere Ende für sich. Damit man darauf künftig nicht mehr so angewiesen ist, sehnen sich die Verantwortlichen die Winterpause herbei. Favre hat zuletzt auf die Notwendigkeit von Verstärkungen hingewiesen. Die jüngsten Niederlagen haben verdeutlicht, dass der Club den Ausfall von Leistungsträgern wie Pantelic oder Lucio nicht kompensieren kann. Zu Saisonbeginn klagten die Berliner darüber, dass die Hinrunde zu früh beginne, weil sie den Kader noch nicht zusammen hätten. Jetzt kann sie nicht schnell genug zu Ende gehen.