WARUM SIE IN SCHLESWIG-HOLSTEIN UNBEDINGT ETWAS VERMISCHEN WOLLEN, DAS IN DER VERFASSUNG AUS GUTEM GRUND SEIT 1950 GETRENNT IST, WEISS – DER HIMMEL
: Gott und die Verfassung

Foto: Lou Probsthayn

KATRIN SEDDIG

Schleswig-Holstein meerumschlungen, deutscher Sitte, hohe Wacht, wahre treu, was schwer errungen, bis ein schönrer Morgen tagt!“, dichtete 1844 der Pinneberger Matthäus Friedrich Chemnitz. Herr Chemnitz wünschte sich ein geeintes Schleswig-Holstein und ließ in seinem Lied auch Gott nicht aus. Geeint sind Schleswig und Holstein mittlerweile, die Landesverfassung oder frühere Satzung jedoch kommt seit 1950 ohne Gott aus.

Als sie im vergangenen Jahr reformiert werden sollte, stieß das einigen bitter auf und sie wollten Gott jetzt doch auch in Schleswig-Holsteins Landesverfassung erwähnt haben. Dies ist, im Übrigen, in den meisten anderen Bundesländern der Fall: Auch dort soll sich der Abgeordnete nicht nur dem Bürger an sich verpflichtet fühlen, sondern auch Gott. Die jetzige Präambel ist mit der neuen Verfassung von einem Sonderausschuss erarbeitet worden, in einjähriger Beratung, und immerhin 61 von 69 Abgeordneten stimmten dafür. Die Präambel verweist auf eine Menge guter und wichtiger Sachen, auf die Menschenrechte, Frieden, Gerechtigkeit, Demokratie, Freiheit, Toleranz und Solidarität – aber eben nicht auf Gott. Mich als Atheisten stört das nicht. Ich frage mich nur, warum das den Gläubigen stört. Fühlt sich ein Gläubiger nicht sowieso und immer Gott verpflichtet, ob das nun in einem – irdischen – Gesetz steht oder nicht?

In Schleswig-Holstein gibt es jetzt eine Volksinitiative, die sich für die Aufnahme des Gottesbezuges in die Landesverfassung einsetzt. Sie wird unter anderem unterstützt von der Nordkirche, dem Erzbistum Hamburg, der islamischen Religionsgemeinschaft Schleswig-Holstein und den jüdischen Gemeinden. Den Vorwurf, andere Religionen als die christliche auszugrenzen, muss sich die Initiative also nicht machen lassen. Auch im Grundgesetz sei dieser Gottesbezug zu finden, das ist so ein Argument der Befürworter: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“, so geht es da los.

Nun stellt das, würde ich sagen, kein Argument dar: Nichts ist allein deshalb richtig, weil es das anderswo auch ist. Auch dann nicht, wenn dieser andere Ort ein irgendwie gesetzmäßig übergeordneter ist. Übergeordnete Orte können von mächtigen Fehlern durchdrungen sein, das lernt man im Geschichtsunterricht. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig, SPD, fände es aber schon gut, wenn das analog in die Landesverfassung übernommen würde.

Das Volk streitet sich in den Kommentarspalten derweil – über die Existenz Gottes. Wenn es Gott nämlich nicht gäbe, dann würde sich so eine Verpflichtung natürlich etwas unseriös ausnehmen. Wer will sich schon in einer feierlichen Präambel gegenüber einem Fabelwesen verpflichten? Aus den Reihen der FDP, nämlich von Fraktionschef Kubicki, hört man dazu, Gott gehöre nicht in die Verfassung, sondern ins tägliche Leben. Und auch einige andere – sowohl Christen als Nichtchristen – sind der Meinung, dass der Glaube privat sei.

Wie soll sich denn der Nichtgläubige fühlen, wenn er von dem, dem er sich laut seiner Verfassung verpflichtet fühlen soll, glaubt, dass es diesen gar nicht gibt? Und woher kommt jetzt dieser Drang in Schleswig-Holstein, etwas zu vermischen, was seit 1950 immerhin in der Verfassung getrennt war, nämlich Kirche und Staat? Ist nicht eine Präambel, die Gott gar nicht leugnet, sondern sich nur nicht auf ihn bezieht, nicht die weiseste, weil am wenigsten ausgrenzende Lösung für ein Land, das nicht nur aus Gläubigen besteht?

Vielleicht wird die Volksinitiative 20.000 Unterschriften zusammenbekommen, vielleicht erreicht sie auch, dass es einen Volksentscheid gibt. Vielleicht kommt Gott doch noch in die schleswig-holsteinische Verfassung und vielleicht wär das auch fast unbedeutend. Richtig fände ich es aber nicht.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin und lebt in Hamburg, ihr neuer Roman „Eine Nacht und alles“ erscheint im März 2015. Ihr Interesse gilt dem Fremden im Eigenen.