Anfeindungen im Dutzend

DRAMA Nach dem Selbstmordversuch des Schiedsrichters Babak Rafati wird über die Hintergründe der Tat gerätselt. Fakt ist: Seine Schiri-Karriere war ins Stocken geraten

Auch nach seinem Selbsttötungsversuch wurde er am Wochenende als „Feigling“ beschimpft

VON JOHANNES KOPP

Theo Zwanziger, der oberste Fußballfunktionär des Landes, war am Samstagmittag sofort an den Ort des tragischen Geschehens geeilt. Nach Köln, wo Schiedsrichter Babak Rafati versucht hatte, sich in seinem Hotelzimmer das Leben zu nehmen – wenige Stunden vor dem Bundesligaspiel zwischen dem 1. FC Köln und Mainz, das er leiten sollte. Seine nach ihm suchenden Kollegen ließen Rafatis Zimmer aufbrechen und fanden ihn mit aufgeschnittenen Pulsadern in der Badewanne vor. Die Partie wurde umgehend abgesagt.

Statt der üblichen Trainerstatements gab an diesem Samstagabend im Kölner Stadion der Chef des Deutschen Fußball-Bundes eine Erklärung ab. Vielmehr, als bis dahin sowieso bereits an die Öffentlichkeit gedrungen war, hatte Zwanziger nicht zu sagen. Er teilte mit, dass der Zustand von Rafati stabil sei, er gesunden werde und über die Motive seiner Verzweiflungstat nichts bekannt sei. Die Notizen, die bei ihm gefunden wurden, sind von der Polizei noch nicht ausgewertet worden. Aufgrund des geringen Kenntnisstandes ist es deshalb auch zu früh, wie Zwanziger es tat, im Zusammenhang mit Rafati über den hohen Druck, der auf den Schiedsrichtern lastet, zu sinnieren. Möglicherweise waren seine Beweggründe rein privater Natur. Oder er wurde von der Wettmafia unter Druck gesetzt. Die hiesige Schiedsrichtergilde hat zuletzt so viele Schlagzeilen produziert, dass die Spekulationen in viele Richtungen gehen.

Viele Freunde hatte Rafati im Profifußball nicht. Dreimal hintereinander wurde er in der vom Kicker halbjährlich durchgeführten Befragung von den Profifußballern zum schlechtesten Schiedsrichter gewählt. Torhüter Jens Lehmann wetterte einst vor TV-Kameras gegen ihn: „Was der Mann macht, ist unglaublich, bei so vielen Fehlern ist es erstaunlich, dass man noch als Fifa-Schiedsrichter durchgeht.“ Auf einer „Anti Babak Rafati“-Facebookseite, die über 2.400 Anhänger hat, kann der allgemeine Fußballfan seiner Wut auf Rafati freien Lauf lassen. Auch nach seinem Selbsttötungsversuch wurde er am Wochenende dort als „Feigling“ beschimpft.

Es ist fraglos auffällig, dass in den Redaktionsarchiven der Name des Sparkassenleiters aus Hannover häufig im Zusammenhang mit krassen Fehlentscheidungen auftaucht. Mehrmals verweigerte er offensichtlich korrekten Toren die Anerkennung oder übersah klare Handspiele im Strafraum. Dadurch kam seine Karriere ins Stocken. Im Jahre 2008 war Rafati noch viel gepriesen als Nachrücker des deutschen Vorzeigeunparteiischen Markus Merk in den auserwählten Kreis der Fifa-Schiedsrichter aufgenommen worden. Gerade Merk aber bemäkelte in einem Bild-Artikel von Januar 2010, der Sonntagmittag urplötzlich von Rafatis Wikipedia-Seite verschwand: „Ich denke, bei ihm ist die Entwicklung, die man erwartet hatte, ausgeblieben.“ Ebenfalls zitiert wird in besagtem Artikel der Manager des 1. FSV Mainz 05, Christian Heidel. Der stellt fest: „Er wirkt mit seiner Art und seiner Gestik manchmal etwas arrogant.“ In der ersten Liga leitete Rafati, der zuvor im Schnitt auf 15 Einsätze kam, in der vergangenen Saison nur noch neun Begegnungen. Obendrein gab der DFB kürzlich bekannt, dass der 41-Jährige für das Jahr 2012 als Fifa-Schiedsrichter altersbedingt von einem jüngeren Kollegen ersetzt wird, dabei hätte Rafati noch vier Jahre pfeifen dürfen.

Sein Vater Djalal Rafati erklärte in einem Interview, Babak habe nie über Depressionen oder Burn-out-Syndrome geklagt. Auf der Homepage seiner Bank in Hannover wirbt der Erstligaschiri folgendermaßen für seinen Zweitberuf: „Als Schiedsrichter hast du viele Vorteile. Du hast beispielsweise die Möglichkeit, dich persönlich weiterzuentwickeln, denn das Pfeifen fordert und fördert deine Teamfähigkeit, deine Stressbeständigkeit – in schwierigen Situationen gilt es cool zu bleiben – und dein Selbstbewusstsein.“