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ALTE BEKANNTEFreizeitreporter

Schnell richte ich die auf Krawall gekämmten Haare

Jetzt aber schnell. In einem Moment der Verwirrung durchbrechen wir die Polizeikette, einige der Beamten resignieren bereits, andere nehmen ihren Job, der in diesem Fall darin besteht, eine Seitenstraße abzusperren, sehr ernst.

Pfefferspray wabert durch die Luft, irgendjemand schreit „Mörder, Mörder!“, und ich frage mich mal wieder, warum die Jammerkultur in diesen Kreisen oft so ausgeprägt ist. Wenn Sitzblockaden attackiert werden, gibt es natürlich Gründe, sich zu beschweren, aber wenn man selbst angreift, sollten die Folgen klar sein.

Während hinter uns also herzzerreißend geklagt wird, sind wir bereits eine Kreuzung weiter. Aus den Nebenstraße rückt Verstärkung an, mit der Handvoll Bewegungsorientierten um mich herum reiben wir die eintreffende Hundertschaft auch nicht auf, so viel ist klar.

Beine in die Hand, lautet nun das Motto. Wir teilen uns auf, ich renne in eine Hofeinfahrt und treffe dort auf einen alten Bekannten. Vor einigen Jahren, als ich meine Zeit noch in Spätis im Ostteil der Stadt totschlug, arbeitete er in einem dieser Spätverkäufe auf der Kastanienallee.

Ich grüße freundlich, verstaue meine szenetypische Kleidung in der Bauchtasche, streife das Hemd glatt und richte die auf Krawall gekämmten Haare. Er nickt und schaut entgeistert. „Was machst du denn hier?“, fragt er.

„Das Gleiche wie du wahrscheinlich“, antworte ich. Man hat sich schon öfters mal auf Demos gesehen, aber immer nur von Weitem. Und über Politik haben wir in den zahllosen Nächten auf der Kastanienallee auch nie gesprochen.

Ein zweiter Mann betritt die Einfahrt. „Ich hab die Bilder für den BZ-Liveticker“, sagt er und zeigt dann auf mich. „Gehört der zu uns?“ Mein alter Bierverkäufer und ich schauen uns kurz an und schütteln beide den Kopf. JURI STERNBURG

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